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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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penetrant.
    Aber abgesehen von Staub und Spinnweben ist der Stall leer. Hier gibt es nichts Lebendiges, weder Tiere noch Menschen, auch keine Werkzeuge, Maschinen oder Spaten. Keine Wasserhähne.
    David nickt zu einer Treppe am hinteren Ende des Stalls hin. Die Treppe führt steil zur Decke hinauf, vermutlich gibt es dort eine Luke, die auf einen Heuboden führt. Ich glaube, von dort oben ein schwaches Geräusch zu hören. Während David die Treppe hochklettert, bleibe ich unten stehen, horche und schüttle dann den Kopf, weil ich nicht dahinterkomme, was das für ein Geräusch sein könnte. Als David die Luke in der Decke erreicht, packt er einen Griff, der dort ins Holz geschraubt ist, und drückt die Luke sachte auf. Im selben Augenblick wird der ganze Stall von Tönen erfüllt. Schrilles, lautes Kreischen und Fiepen. Vögel, ist mein erster Gedanke. Dort oben ist es voller Vögel. Aber als ich sehe, wie weiß David wird, begreife ich, dass es sich nicht um Vögel handeln kann. Er steht regungslos da, als hätten ihn die schrillen Töne betäubt. Doch dann duckt er sich blitzschnell und zieht die Luke mit einem dumpfen Knall zu.
    »Pfui Teufel!«, schreit er. »Der ganze Heuboden ist voller Ratten. Es müssen Tausende sein!«

XVIII
    David klettert rückwärts nach unten und verzieht sich Schritt für Schritt zur Tür. Nicht eine Sekunde lang lässt er die Luke an der Decke aus den Augen. Wir folgen ihm, starren dabei aber ausschließlich ihn an, nicht die geschlossene Luke. So habe ich David noch nie gesehen. Es ist nicht so, als hätte er Angst, denke ich. Da ist etwas Stärkeres als Angst. Als ich David rückwärts auf die Stalltür zugehen sehe, kommt er mir vor, als wäre er von dem, was er gesehen hat, verhext. Oder hypnotisiert.
    Erst als er ins Freie kommt, bleibt er stehen und wendet den Blick von der Treppe. Jetzt sieht er mich an. Seine Augen glänzen, der kalte Schweiß glitzert wie Tautropfen auf seiner Stirn. Hoffentlich rastet er jetzt nicht aus, denke ich.
    »Pfui Teufel!«, wiederholt er. »So was Scheißekliges! Da waren Millionen, Judit!«
    »Waren es tatsächlich Ratten?«, fragt Gabriel und sieht David begeistert an.
    David nickt. »Aber so groß wie Katzen«, sagt er und demonstriert es mit den Händen. »Die Schwänze so dick wie Stricke. Als sie mich gesehen haben, haben sie angefangen zu schreien und die Zähne zu zeigen. Dann sind sie auf mich zugerannt, als wollten sie angreifen.«
    »Ich möchte bloß wissen, wovon die leben«, sagt Dinah.
    »Genau«, sage ich. »Wenn es hier von Ratten wimmelt, muss es ja auch Nahrung für sie geben.«
    »Fressen Ratten nicht Leichen und so was?«, fragt Gabriel. »Die treiben sich doch in Kloaken herum, das hab ich im Fernsehen gesehen.«
    »Ich glaube, sie fressen fast alles«, sage ich. »Aber wenn sie nicht genügend Nahrung hätten, wären sie bestimmt nicht so viele.«
    »Kommt drauf an«, sagt David. »Womöglich sind tatsächlich nur noch Ratten übrig.«
    »Vergiss das Schwein nicht«, sage ich.
    »Das wird vielleicht auch bald aufgefressen«, sagt David.
    Wir schweigen eine Zeitlang und denken nach. Was mag das alles bedeuten? Sind hier wirklich nur Ratten übrig? Verwandelt sich die Erde in den Planet der Ratten?
    »Aber dann wäre es doch seltsam, dass sie nur dort oben sind«, wende ich gegen David ein. »Wenn es so ist, wie du sagst, müsste es doch überall von Ratten wimmeln. Im Stall ist keine einzige und im Wohnhaus auch nicht.«
    »Stimmt. Und da gibt es immerhin Leichen zum Anknabbern.«
    »Was sich da oben wohl noch verbirgt?«, sage ich.
    Aber keiner von uns hat Lust, das herauszufinden. Nicht mal Gabriel scheint daran interessiert zu sein, Ratten zu filmen. Wir beschließen, die anderen Nebengebäude zu untersuchen.
    »Irgendwo muss es doch Werkzeug geben«, meint Dinah.
    »Ja, meistens gibt es auf Bauernhöfen auch eine Werkstatt«, sage ich und denke an Opas Werkstatt, in der es nach altem Öl roch, das in einem offenen Fass aufbewahrt wurde. In dem Fass badeten Traktorteile, Zahnräder, lange Schrauben und interessante Spiralfedern. Im Herbst fettete Großvater Spaten, Mistgabeln und eiserne Spieße mit einem hellen Fett für den Winter ein. Dann roch es noch intensiver in der Werkstatt. Die Geräte hingen an kleinen Haken an den Wänden, und wenn man sie abnahm, sah man, dass sie an die Wand gezeichnet waren. So weiß man, wo alles hingehört, erklärte Opa. Ich fand es spannend, das Werkzeug von der Wand zu nehmen, das Bild

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