Am Anfang war das Ende (German Edition)
Schultern. »Hier ist das anders. Man denkt irgendwie nicht an so was.«
»Bestimmt wird alles bald besser.«
Ich überlege kurz, dann sage ich: »Weißt du noch, dieser Abend im Vogelnest, als es fast genauso schlimm geregnet hat wie jetzt?«
»Sicher weiß ich das noch.«
»Das kommt mir so weit weg vor.«
»Das war eine andere Zeit.«
»Ich weiß«, sage ich.
Wir stehen schweigend im Flur. Dann fällt mir ein, dass ich sie etwas ganz anderes fragen muss.
»Weißt du, wer Red Bull zerstört hat?«
Doch da lacht Gun-Helen so laut, dass ich aufwache.
•
Mir ist übel. Dann merke ich, dass kalte Luft durchs Zimmer weht. Das ganze Bett schaukelt. Ich packe den Bettrand, um nicht rauszufallen. Mist, denke ich. Was ist denn jetzt schon wieder los? Ich habe das Gefühl, wieder auf dem Floß zu sein, höre aber kein Wasser, nur den Wind, der das Bett hin und her wirft. Jetzt klammere ich mich mit beiden Händen fest und versuche den anderen zuzurufen, sie sollen aufpassen. Aber ich weiß nicht, ob sie das hören. Da merke ich, dass der Wind seinen Ton verändert hat, er bläst nicht mehr, sondern klingt eher wie Kinder, die lachen. Das Gelächter wird immer lauter, und ich halte mir die Ohren zu. Die Kinder schreien vor Lachen, dann verstummen sie plötzlich. Es wird ganz still. Erschöpft sinke ich ins Bett zurück und schlafe sofort ein.
•
Es gießt wieder wie aus Kübeln. Draußen ist nichts mehr zu erkennen. Die Welt könnte genauso gut einen Meter vor dem Haus aufhören, wir würden keinen Unterschied merken. Mittwoch, den 14 . Marzo, lese ich vom Kalender ab.
Plötzlich reißt sich David die Kleider vom Leib und stürzt sich mit lautem Geheul von der Veranda in den peitschenden Regen. Dort verschwindet er sofort, und das Dröhnen des Regens ertränkt sogar sein Geheul.
»David!«, schreie ich. »David! Verdammt nochmal, David!«
Aber David reagiert nicht. Wie wild rast er in den herabstürzenden Wassermassen im Kreis herum.
»Komm zurück!«, schreie ich.
Da springt er wieder auf die Veranda, genauso schnell wie er zuvor verschwunden ist, schüttelt heftig den Kopf und spritzt alles voll, was nicht schon vorher nass war, das heißt, vor allem mich.
»Du spinnst ja total«, sage ich.
•
Am Nachmittag ist das Wasser ein gutes Stück gestiegen. Die Veranda steht unter Wasser, und es sickert schon unter der Haustür herein. Wir haben versucht, sie mit Streifen abzudichten, die wir von einem Leintuch abgerissen haben. Aus irgendeinem Grund muss ich an die Ratten denken.
»Kein Wunder, dass die oben auf dem Heuboden hausen«, sage ich.
»Wer?«, fragt Dinah.
»Die Ratten.«
Dinah nickt.
»Wenn es so weitergeht, ertrinken wir noch«, sage ich.
»Vor diesen Ratten müssen wir uns in Acht nehmen«, brummt Gabriel.
»Warum?«
»Die haben jetzt wohl nicht mehr viel zu fressen, außer …«
»Außer?«
»Außer uns und …«
»Die Schweine!«, rufe ich aus. »Wir müssen Tüchtig und Doris retten!«
»Denen geht es bestimmt gut«, sagt Gabriel, um mich zu beruhigen.
»Aber wir haben die Stalltür offen gelassen«, sage ich. »Falls Lady zurückkommen sollte.«
Gabriel schüttelt den Kopf. »Ich hab sie zugemacht, als wir die Stricke geholt haben«, sagt er.
Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus. »So ein Glück!«
»Wo die Pferde wohl sind?«, sagt Dinah. »Die müssen doch irgendwo Schutz gefunden haben.«
»Bei diesem Wetter kann niemand draußen sein«, sage ich. »Es gibt bestimmt viele verlassene Höfe. Vielleicht haben sie irgendwo einen ganzen Stall für sich allein.«
»Ich kapier einfach nicht, warum wir keine Menschen sehen«, sagt Dinah.
»Ist doch möglich, dass die Gegend hier kaum bewohnt war«, meint Gabriel.
»Aber irgendwen muss es doch geben?«
»Wir haben ja diese Spuren gesehen«, sage ich.
Das, was dann geschieht, ist so seltsam, dass mir fast das Herz stehen bleibt.
Plötzlich klopft es an der Haustür! Ein lautes, energisches Klopfen, das durch den lärmenden Regen deutlich zu hören ist. Ich schnappe nach Luft. Kann das sein? Dann hört das Klopfen auf. Nur der Regen rauscht weiter.
»Was war das denn?«, flüstere ich.
»Jemand hat an die Tür geklopft«, keucht Dinah und sieht mich mit vor Schreck geweiteten Augen an.
»Wirklich?«, sage ich.
Gabriel steht auf. »Ich glaub schon.«
»Und was machen wir jetzt?«, flüstere ich.
»Aufmachen«, sagt Gabriel und geht zur Tür.
Als er sie öffnet, schlägt ein Schwall Wasser in den Flur.
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