Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
Vom Netzwerk:
Ratlos steht er da und starrt in den Regen hinaus. Ich sehe dasselbe wie er. Da ist niemand.
    »Hallo, ist da jemand?«, ruft Gabriel.
    Niemand antwortet.
    »Mach die Tür zu!«, schreit David und stürzt hin, um Gabriel zu helfen, sie wieder zuzuziehen.
    •
    Es regnet genau drei Tage und Nächte, dann hört es am Samstag, den 17 . Marzo, abrupt auf. Wir sind vollkommen erschöpft. Das Erdgeschoss steht unter Wasser. Der toten Familie in der Küche reicht das Wasser bis an die Knie. Auf dem Boden schimmern die Flickenteppiche wie bunte Korallenriffe. Aus der Luke unterm Küchentisch blubbert es. Draußen ist alles in einen einzigen See verwandelt. Wasser, so weit das Auge reicht.
    »Jetzt sollten wir unser Floß haben«, sagt David, als wir im Obergeschoss am Fenster stehen und auf den endlosen See draußen blicken.
    »Oder ein Boot«, sage ich.
    Gabriel nickt.
    Dinah seufzt laut. Sie steht an der Wand und schlägt mit dem Hinterkopf dagegen. Steht nur da und schlägt mit dem Kopf gegen die Holztäfelung, immer wieder. In letzter Zeit geht es ihr schlecht. Schließlich wird die Klopferei unerträglich. Ich gehe zu ihr und lege die Arme um sie.
    »Dinah, bitte hör auf!«, sage ich leise.
    Sie sieht mich an. Ihre Augen sind schwarz. Plötzlich kommt es mir vor, als hätten sie fast die gleiche fließende Schwärze wie die Augen der toten Familie. Oh shit, denke ich, werden wir auch allmählich verwandelt? Sterben wir jetzt? Doch dann schiebe ich diesen unmöglichen Gedanken von mir.
    »Ich will nicht länger hierbleiben«, sagt sie. »Am besten, wir hauen ab, sobald das Wasser sich verzogen hat.«
    »Und wohin?«
    »Einfach irgendwohin. Wir müssen andere Menschen suchen. Ich dreh durch, wenn wir noch länger hierbleiben!«
    »Das haben wir doch schon besprochen«, wendet Gabriel ein. »Das kann gefährlich werden. Solange wir hierbleiben, sind wir vor dem Wetter geschützt.«
    »Ist mir scheißegal, ob das gefährlich ist! Wenn ihr nicht mitkommt, mach ich’s allein.«
    Ich schweige erst mal. Dann sage ich: »Ich hab auch schon daran gedacht, dass wir fortgehen sollten. Zum Beispiel, um mehr Diesel zu besorgen. Irgendwo gibt es bestimmt Dörfer oder Städte, in denen Menschen leben.«
    Gabriel sagt zunächst nichts. »Genau davor hab ich Angst«, bemerkt er dann leise. »Solange wir hierbleiben, sind wir einigermaßen sicher. Mit ein wenig Glück können wir hier sogar irgendwas anpflanzen.«
    Dinah unterbricht ihn.
    »In dem Wetter wächst überhaupt nichts!«, fährt sie ihn an. »Wir können nicht einfach hierbleiben, bis wir auch verfaulen.«
    Sie hat recht, denke ich. Laut sage ich: »Zwei von uns könnten als Kundschafter losziehen. Wenn man sich nur nachts bewegt, kann nicht viel passieren.«
    Gabriel schüttelt den Kopf. »Das ist zu riskant«, sagt er. »Stell dir vor, hier passiert was, während zwei von uns unterwegs sind.«
    David hat bisher ausnahmsweise den Mund gehalten. Jetzt dreht er sich zu Gabriel um. »Judits Idee ist nicht schlecht«, sagt er. »Judit und ich könnten als Kundschafter losziehen.«
    »Wenn Judit geht, bleib ich auch nicht hier«, sagt Dinah schnell.
    »Aber ich komm doch zurück!«
    Gabriel sagt nichts. Er schaut aus dem Fenster. Er ist es gewöhnt, überstimmt zu werden. Bisher haben wir immer das getan, was Dinah gewollt hat. Das ist uns vielleicht gar nicht bewusst gewesen, aber sie hat tatsächlich über uns bestimmt. Weil sie die Klügste von uns war. Aber jetzt weiß ich nicht mehr so recht. Vielleicht wird sie allmählich krank.
    »Wir müssen uns was trauen«, sage ich schließlich. »Sonst haben wir keine Chance. Wenn nichts passiert, müssen wir selbst dafür sorgen, dass was passiert.«
    Gabriel dreht sich um und sieht mich an, bleibt lange so stehen und starrt mir in die Augen. Dann geht er ins Schlafzimmer und knallt die Tür hinter sich zu.
    •
    Am Nachmittag scheint das Wasser ein wenig gesunken zu sein. Im Erdgeschoss steht es fast zehn Zentimeter unter der dunklen Linie an der Wand.
    »Ich versuche, zu den Schweinen zu kommen«, sage ich. »Sie müssen dringend gefüttert werden.«
    »Ich komm mit«, sagt David.
    »Dann zieh dir was an!«, sage ich und öffne die Tür zur Garderobe.
    Als wir mit einem Korb voller Muscheln und Algen zwischen uns zum Stall waten, reicht uns das Wasser bis an die Schenkel. Hinter den Wolken bricht gerade die Sonne durch. Es ist warm, das Wasser dampft, und die Luft ist so feucht, dass es sich anfühlt, als würden wir durch eine

Weitere Kostenlose Bücher