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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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riesige Sauna wandern. Der Traktor steht verlassen mitten im Wasser. Ich frage mich, ob er das wohl verträgt.
    Als wir zum Stall kommen, sehen wir einen gewaltigen Regenbogen am Himmel. Er spannt eine funkelnde Brücke über uns, und wir bleiben stehen und schauen einfach nur die Farben an, die über uns an den Himmel gemalt werden – Rot, Orange, Violett und Gelb. Plötzlich geht mir auf, dass wir jetzt gerade zum ersten Mal so viele Farben in der Natur sehen. Ja, fast ist es so, als hätten wir außer dem Regenbogen bisher nichts gesehen, was noch so ist, wie es sein soll.
    »Wow!«, sagt David. »Der ist ja echt riesig!«
    »Hoffentlich bedeutet das Glück«, sage ich. »In Entenhausen gab es am Fuß des Regenbogens immer einen Topf voller Gold.«
    »Wenn wir abhauen, folgen wir ihm«, sagt David und blinzelt zum einen Fuß des Regenbogens hinüber.
    Ich nicke. Genau das hätte Gustav Gans auch getan.
    In den Stall hineinzukommen erweist sich als unerwartet schwierig. Wir wollen die Tür möglichst nicht öffnen, damit nicht noch mehr Wasser eindringt. Die Schweine hören uns, als wir vor der Tür diskutieren, und beginnen laut und durchdringend zu grunzen.
    »Schon gut, Tüchtig, jetzt kriegt ihr endlich was zu fressen!«, rufe ich.
    Wir spähen durch die Fenster. Im Stall scheint das Wasser gleich hoch zu stehen wie bei uns im Wohnhaus. Vielleicht müssen wir eine Scheibe einschlagen, um hineinzukommen. Doch da zeigt David mir eine Luke im Giebel.
    »Wenn du dich auf meine Schultern stellst, müsste es klappen«, sagt er.
    Das wird eine wacklige Angelegenheit, aber zum Glück können wir uns an der Wand abstützen. Schließlich gelingt es mir, die Luke zu öffnen und hineinzukriechen. Das Geschrei der Schweine wird immer schriller. Ich versuche, beruhigend auf sie einzureden, doch das bewirkt gar nichts. Natürlich sind sie halb verhungert.
    »So, jetzt gibt’s was Gutes«, rufe ich ihnen zu, als ich zur Box wate.
    In der Box ist sehr viel weniger Wasser als im übrigen Stall, da haben wir ein Riesenglück gehabt. Es steht nur ein paar Zentimeter hoch. Ich hieve Muscheln und Algen zu den Schweinen hinein und sehe, wie sie sich daraufstürzen.
    »Der blöde Regen hat jetzt aufgehört«, berichte ich ihnen.
    •
    Am Nachmittag durchbricht die Sonne endgültig die dunkle Wolkendecke. Plötzlich erstrahlt alles. Es funkelt und glänzt, und die Farben des Regenbogens sprühen von der magischen Brücke über unseren Köpfen. An den Bäumen hängen gelbglänzende Stränge aus klebrigem Zeug. Es ist fast schön, und einen Augenblick lang fühlt sich alles verändert an. Wie an einem Tag im Vorfrühling, wenn der Schnee schmilzt, die Eiszapfen tropfen und die Meisen geigen. Wie an einem Tag, an dem das Leben wieder anfängt. Ich spüre ein Kribbeln und Kitzeln in der Magengegend, ja, ich bin beinahe froh! Plötzlich kommt wieder Hoffnung auf. Vielleicht werden wir das hier doch irgendwie schaffen!
    »Wir packen das, Dinah!«, rufe ich durch die geschlossene Schlafzimmertür. »Das Wetter wird schon besser. Bald können wir vielleicht was anpflanzen.«
    Sie antwortet nicht. Ich versuche, mir keine Sorgen zu machen, doch das ist nicht leicht. Dinah ist diejenige, die uns gerettet hat, aber jetzt scheint sie sich total ausgeklinkt zu haben. Wenn es ihr früher in der Schule ähnlich schlecht ging, hat es ein paar Tage gedauert, bis sie wieder auf dem Damm war.
    Aus dem Fenster sehe ich, wie das Wasser weiter sinkt. Auf den Feldern schauen schon vereinzelte Inselchen heraus.
    »Der Regenbogen hat nur vier Farben«, sagt Gabriel.
    »Kein Wunder«, sage ich.
    »Vielleicht können wir in ein paar Tagen aufbrechen«, sage ich dann zu David.
    Er nickt.
    »Aber nicht ohne mich«, sagt Dinah, die inzwischen aus dem Schlafzimmer gekommen ist.
    »Irgendjemand muss aber hierbleiben«, sage ich. »Und wir können Gabriel nicht allein lassen.«
    »Warum nicht?«, sagt sie.
    »Weil niemand hier allein sein soll!«, sage ich.
    »Aber wir kommen ja bald zurück«, meint David.
    Dinah schüttelt entschieden den Kopf.
    »Wenn hier jemand irgendwohin aufbricht, dann sind das Judit und ich!«, sagt sie und wirft David einen eisigen Blick zu. »Du bleibst mit Gabriel hier und verteidigst den Hof!«
    David wendet den Blick ab und flucht leise vor sich hin. Dann spuckt er auf den Boden und geht davon.

Der letzte Teil

Eine Welt ist jeder Mensch, bevölkert
    von blinden Geschöpfen in dunklem Aufruhr
    gegen das Ich den König der über sie

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