Am Anfang war das Ende (German Edition)
der Hand hält. »Erinnert fast an Harz, wird aber vom Regen gebildet.«
Schließlich finden wir ein paar Klumpen, die noch leicht klebrig sind. In der Küche zerbröseln wir sie und verteilen den Notkleister auf dem gebrochenen Arm des Zwillings. Gabriel hält beide Teile in den Händen. Das sieht makaber aus. Der Arm ist so naturgetreu, dass man ihn unweigerlich für einen Teil eines echten Menschen halten muss. Dann drückt Gabriel beide Teile aneinander, und Simsalabim ist der Zwilling wieder ganz.
»Hoffentlich hält das«, sagt David und betrachtet das Mädchen.
Wir setzen es wieder auf den Stuhl und schieben ihn so an den Tisch, dass der Arm genau an den Teil passt, der noch in der Hand der Mutter steckt. Doch jetzt merken wir, dass die durchsichtige Schmotze doch nichts taugt. Der Arm sackt ab, als wir ihn andrücken wollen.
»Versuchen wir’s mit dieser Mullbinde«, schlägt Dinah vor. »Wenn wir den Arm damit fest umwickeln, bleibt er vielleicht sitzen.«
Dinahs Idee erweist sich als ausgezeichnet. Gemeinsam halten wir den Arm fest, während sie ihn mit der Mullbinde umwickelt. Als wir fertig sind, sieht alles wieder sehr echt aus.
»So ist es fast noch besser«, sage ich. »Es sieht aus, als hätte sie sich am Arm verletzt.«
Dinah nickt. »Ja, als wäre sie vom Pferd gefallen.«
»Sollen wir den Hund und die Katze wieder unter den Tisch ziehen?«, frage ich.
Wenn ich jetzt, bei Tageslicht und zusammen mit den anderen, an das unheimliche Erlebnis im Vorratskeller denke, kommt es mir nicht mehr ganz so schlimm vor. Aber es wäre eine Erleichterung, die Luke im Boden nicht mehr sehen zu müssen.
»Wenn wir nicht noch mal nachschauen wollen, jetzt, wo wir Kerzen haben«, sagt Gabriel. »
Ich
kann runtergehen.«
»Lass uns doch alle gemeinsam runtergehen«, sage ich. «Wenn wir den Tisch und die Stühle wegschieben, lässt sich die Luke ganz öffnen.«
»Passt auf, dass der Arm nicht abfällt!«, sagt Gabriel, als wir den Tisch und die Stühle langsam und sehr vorsichtig zur Seite schieben.
Plötzlich müssen wir lachen. Ich glaube, es ist David, der damit anfängt, und bald lachen wir alle vier aus vollem Hals über die absurde Bemerkung, ja, über die ganze unwirkliche Situation. Alles, was schiefgehen kann, ist schon schiefgegangen, da ist es unerhört befreiend, über den ganzen Schlamassel zu lachen.
»Hilfe, ich glaub, ich sterbe!«, lacht Dinah und hält sich den Bauch.
»Tu das lieber nicht!«, japse ich. »Das wird zu eng am Tisch!«
Dinah heult auf und lacht noch heftiger, bis ihr die Tränen übers Gesicht laufen.
Als wir uns endlich wieder beruhigt haben, ist es wie nach einem reinigenden Bad. Wir haben einen Funken Hoffnung zurückerhalten. Vielleicht wird doch noch alles gut, irgendwie. Immerhin leben wir.
Ohne den Tisch ist es ein Kinderspiel, die Luke zu öffnen. David zieht die Falltür an dem Metallring hoch und klappt sie nach hinten, damit sie offen bleibt. Wir beugen uns vor und spähen hinunter. Das Tageslicht strömt herein, und ich sehe die beiden Regale an den Wänden. Sie sind leer, ich habe mich nicht getäuscht. Neben der Treppe hängt ein Seil mit einem Griff daran. Das habe ich gestern nicht bemerkt.
»Spürt ihr den Luftzug?«, fragt Dinah.
»Der war gestern auch da«, sage ich. »Dort unten bläst von irgendwoher ein kalter Wind.«
»Wie ist das möglich?«, fragt Gabriel.
»Kommt, wir gehen runter und schauen nach!«, sagt David. »Irgendwo muss es eine Öffnung oder so was geben.«
»Einen Moment noch!«, sage ich und halte Ausschau nach dem, was gestern mein Bein gestreift hat. Aber von einer Ratte ist dort unten nichts zu sehen.
Also nicke ich David zu, der die Treppe hinunter verschwindet. Gabriel folgt ihm, dann ich. Ich sehe Dinah an, die noch in der Küche steht.
»Kommst du?«
Sie zögert. »Okay.«
Diesmal ist es unten im Keller ganz anders. Die unheimliche Stimmung ist verflogen. Jetzt sehe ich, dass es ein ganz normaler Vorratskeller ist. Wir treten an die eine Wand mit den Regalen. Als ich mich vorsichtig bücke und unter das unterste Regal schaue, sehe ich etwas dort liegen. Ein kleines zottiges Tier, das zu schlafen scheint.
»Hier ist es ja!«, flüstere ich.
Das schlafende Tier erinnert an nichts, was ich kenne. Es ist definitiv keine Ratte. Ich stupse es vorsichtig, dann ziehe ich es hervor.
»Aber … das ist ein Stoffhund!«
Die anderen kommen her und schauen ihn an. Der Hund ist alt, schmutzig und abgewetzt. David drückt ihn
Weitere Kostenlose Bücher