Am Anfang war das Wort
soll das alles heißen?«
Michael seufzte. »Ja, er konnte wirklich nicht wissen, daß wir normalerweise nicht bei Chemikalienhändlern suchen. Sie hätten hören sollen, wie Avigdor auf die Idee reagiert hat, bei Händlern nachzufragen. Aber welche Möglichkeiten hätte er sonst gehabt? Nur einen Einbruch in ein Labor, und das wäre noch gefährlicher gewesen.«
Schatz betrachtete sein Glas und schüttelte die Eiswürfel. Als er sprach, hatte seine Stimme einen anderen Ton, einen ernsteren, als habe er nicht mehr das Bedürfnis, zu prahlen. »Ich denke in eine andere Richtung«, sagte er langsam.
»Zum Beispiel?« fragte Michael und blickte auf seine Uhr.
»Ich glaube«, sagte Schatz, »daß sich dahinter so etwas wie ein Burn-out-Syndrom verbirgt, daß Tirosch entdeckt werden wollte, daß er krank und müde war.«
Michael schwieg. Er betrachtete Schatz mit anderen Augen und wußte, daß er voreilig geurteilt hatte. Nach einer langen Pause fragte er: »Sie meinen, er wollte geschnappt werden?«
»Frankly, ich hätte es nicht genauso ausgedrückt, aber so etwas in dieser Richtung.« Warnend fügte er hinzu: »Das würde ich allerdings an Ihrer Stelle nicht vor der Sonderkommission sagen.«
»Das ist sehr interessant, was Sie sagen. Aber es paßt nicht zu seiner Persönlichkeit. Wie sind Sie darauf gekommen?« fragte Michael neugierig.
»Ich sage Ihnen die Wahrheit«, sagte Schatz und beugte sich vor. Michael betrachtete die schwitzenden Hände, die das leere Glas umklammerten, die kurzgeschnittenen Fingernägel. »Das Testament hat mich auf diese Idee gebracht. Es ist ein seltsames Testament, nicht wahr? Als wolle der Mensch seine Sachen ordnen, bevor er geht, nicht wahr?« Schatz wartete nicht auf eine Antwort, er sprach schnell weiter: »Ich möchte Sie noch etwas fragen. Wissen Sie genau, wann Duda'i in Eilat angekommen ist?«
»Aber wirklich«, protestierte Michael. »Für was halten Sie uns? Ich habe eine unterschriebene Aussage, daß er um vier Uhr in Eilat angekommen ist. Er hat um halb zwölf die Sitzung verlassen und ist mit seinem Auto losgefahren. Der Chef des Taucherclubs hat um Viertel nach vier mit ihm gesprochen. Sogar wenn er geflogen wäre – und daß er das nicht getan hat, haben wir nachgeprüft –, hätte er Tirosch nicht ermorden und um vier Uhr in Eilat sein können.«
»Schade«, sagte Schatz. »Ich hatte da eine Theorie.«
Michael betrachtete ihn und dachte daran, wie Schatz von den Leuten bei der Polizei eingeschätzt wurde, an den Eindruck, den er in den letzten Minuten auf ihn, Michael, gemacht hatte. Er fühlte sich schuldig und beschämt, weil er sich im ersten Augenblick von ihm abgestoßen gefühlt hatte. Er hätte sich gern entschuldigt, irgendwie seine Achtung Schatz gegenüber ausgedrückt, doch dieser achtete nicht darauf, wie Michael sich fühlte. Mit seiner alten Stimme sagte er: »Well, es ist Zeit für Ihren Flug. Sie sollten sich beeilen.« Er warf einen Blick auf die Rechnung und legte mit einer selbstsicheren, erfahrenen Bewegung einige Münzen auf die Theke, dann brachte er Michael zum Flugsteig. »Ich hoffe, Sie werden nicht zu schockiert sein, wenn Sie hören, wie die Leute dort sprechen. Ich weiß nicht, wie Ihr Englisch ist, Freundchen, aber sogar mir fällt es schwer, die im Süden zu verstehen, und dabei bin ich schon drei Jahre hier.« Er lachte. »Und rufen Sie mich an, wenn Sie wollen, wenn Sie etwas brauchen. Vielleicht ändern Sie ja Ihre Meinung, dann können wir auf Ihrer Rückreise ein bißchen Spaß zusammen haben.«
Neunzehntes Kapitel
»Es waren drei junge Männer, Juden natürlich. Wir sprechen über das Jahr 1950, also über eine Zeit, die ungefähr fünfunddreißig Jahre zurückliegt. Einer von ihnen war als Baby Mitte der dreißiger Jahre mit seinen Eltern nach Israel gekommen, in das damalige Palästina. Seine Mutter hatte schreckliches Heimweh nach Rußland, und als sie überzeugt war, ihre Ideen und Vorstellungen in dem neuen Land nicht verwirklichen zu können, nahm sie ihren kleinen Sohn und ging mit ihm zurück in die Sowjetunion. Wir sprechen jetzt über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, vor der Gründung des neuen zionistischen Staates. Die siegreiche russische Armee zog sie an, Stalin zog sie an, Gott weiß was, heute sind wir klüger, deshalb können wir schwer verstehen, was sie anzog. (Lachen.) Ihr Sohn war da schon vierzehn, es gab einige solcher Fälle von Juden, die von Palästina zurück in die
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