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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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nachlässige Kleidung verziehen und ihm erlaubt, im Zimmer zu bleiben, wenn sie telefonierte.
    An diesem Morgen sah Adina aus, als habe sie beschlossen, tüchtig, ruhig und vor allem beherrscht zu sein. Die Studenten, die trotz der Ankündigung das Zimmer betreten wollten, komplimentierte sie geduldig hinaus und sagte kein Wort über die Katastrophe. Den Becher Naturjoghurt und die Gurke, die sie sich bis mittags zu essen erlaubte, stellte sie mit dem Ausdruck des Abscheus in die unterste Schublade, und Racheli erinnerte sich plötzlich an eine Bemerkung, die Tirosch einmal in den Raum geworfen hatte, als er die Tüte mit der Gurke gesehen hatte: »Zwanzig Jahre kenne ich sie jetzt, und seit zwanzig Jahren macht sie Diät.«
    Rachelis Gedanken wanderten zu Tirosch, den Adina immer noch fieberhaft zu erreichen versuchte. »Bis Mitternacht habe ich es von zu Hause probiert, obwohl ich Gäste hatte, und heute morgen war ich schon um sieben hier und habe ständig versucht, ihn zu erreichen.« Wieder staunte Racheli über Adinas Gelassenheit, die noch nicht einmal erschüttert wurde, als Tuwja Schaj hereinstürzte. Auch ihm gab sie die gleiche Erklärung. Mit ruhiger Stimme sagte sie langsam, zum zehnten Mal an diesem Morgen: »Wir wissen keine Einzelheiten. Ich stehe mit Ruth in Verbindung, seine Eltern wurden schon informiert. Man sucht immer noch nach den Ursachen für seinen Tod, es besteht der Verdacht, daß die Taucherausrüstung defekt war. Aber die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich weiß nichts über die Beerdigung, man wird uns Bescheid geben, wann sie stattfinden kann. Ich würde gerne mit Professor Tirosch in Verbindung treten, vielleicht wissen Sie, wo ich ihn finden kann?« Das alles sagte sie mit ernstem, sogar feierlichem Gesicht, als wolle sie ausdrükken: Wenn etwas wirklich Ernstes passiert, kann ich praktisch und tüchtig sein.
    Alle schauten Tuwja an. Der sagte, er habe ihn am Freitag zum letzten Mal gesehen, als sie mittags nach der Sitzung der Fakultät zusammen aßen. »Und ich glaube, er hat was über eine Fahrt nach Tel Aviv gesagt, aber ich bin nicht sicher.«
    Seine Stimme klang voller als sonst, und Racheli, die insgeheim weiter das Spiel »Voraussagen« spielte, stellte da schon fest, daß »er nicht er selbst war«, daß er sich gleichzeitig distanziert und ungewöhnlich hilfreich zeigte, als er lauter als gewöhnlich zu überlegen begann, wie man Tirosch erreichen könne. Racheli fiel auf, mit welch deutlichem Unbehagen Tuwja Schaj nun auf Aharonowitsch reagierte, der ruhiger war als sonst, sogar in sich gekehrt, und nur sagte, es sei vielleicht sinnvoll, wenn Adina in Tiroschs Zimmer nachsehe, möglicherweise habe er ja irgendeine Nachricht hinterlassen.
    Racheli hatte das Gefühl, als hielten sie sich schon seit Stunden im Sekretariat auf, einem Raum, der zu klein war für alle, im sechsten Stock des lilafarbenen Teils im geisteswissenschaftlichen Gebäude auf dem Har ha-Zofim, in dem verrückten Gebäudekomplex der Universität, über den Tirosch einmal eine – häufig zitierte – Bemerkung gemacht hatte: »Man müßte den Menschen zum Tod verurteilen, der das alles geplant hat. Gefängnis reicht nicht aus, nur die Todesstrafe.« Bis zu jenem Sonntag hatte man diesen Spruch lächelnd zitiert. (Später schien er nachträglich etwas Schicksalhaftes bekommen zu haben, hatte etwas von tragischer Ironie, ein Ausdruck, den Racheli im Sekretariat mitbekommen hatte.)
    Von Zeit zu Zeit ging jemand hinaus und kam mit einer Tasse schwarzen Kaffees zurück, manchmal wurde das leise Gemurmel von einem zögernden Klopfen an der Tür gestört, und ein erschreckter Student steckte den Kopf hinein. Wenn er die versammelten Fakultätsmitglieder sah, verschwand er sofort wieder, bevor Adina noch etwas über die ausgefallene Sprechstunde hatte sagen können.
    Die Dozenten der Abteilung waren wie zufällig zusammengekommen, als sie Prüfungsbögen brachten oder Seminararbeiten abholten, aber alle blieben in dem kleinen Raum, verbunden durch den Schock und die Trauer um Ido. Die üblichen Spannungen waren für den Moment verschwunden. Alle haben Ido gemocht, dachte Racheli. Von Zeit zu Zeit brach jemand das Schweigen. Sarah Amir fragte, was mit Ruth sein würde, »und dabei ist die Kleine noch nicht mal ein Jahr alt«.
    Dita Fuchs, die ihren lilafarbenen Hut abgenommen hatte und jetzt auf der Kante von Adinas Schreibtisch saß – es gab nicht genügend Stühle im Raum –, fragte wieder und

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