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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ging.
    Als sie nun das Zimmer betrat, die Tür zumachte und alle Anwesenden schweigend anschaute, atmete Racheli erleichtert auf. Schulamit Zelermaier wußte also Bescheid und hatte beschlossen, beherrscht zu sein. Sie hatte den Kopf zur . Seite geneigt, ohne auch nur den Anflug eines sarkastischen Lächelns zu zeigen, und sagte nur: »Furchtbar, einfach furchtbar.« Racheli machte sofort den Stuhl für sie frei, und Schulamit Zelermaier ließ ihren schweren Körper mit einem Seufzer darauf fallen.
    Wieder ging die Tür auf, und zwei junge Fakultätsassistentinnen kamen herein, Zipi Lev-Ari in einem dünnen, weißen arabischen Gewand, und hinter ihr Ja'el, deren Anblick Racheli wie immer in feierliche Erregung versetzte.
    »Sie ist nicht einfach eine gewöhnliche Schönheit«, sagte sie jedesmal zu ihren Freunden, wenn sie ihnen das »Phänomen« zeigte, wie sie es ausdrückte, und fragte dann sofort: »Nun, was sagst du?« Und jedesmal war sie wütend über die Reaktion der Männer. Alle Frauen staunten pflichtschuldig, aber die Männer schreckten zurück. »Man kann sie nicht anfassen«, hatte Dubik einmal gesagt. »Sie würde zerbrechen. Warum ißt sie nichts?« Sogar Tirosch zeigte ihr gegenüber eine Behutsamkeit, die Racheli sonst nie an ihm aufgefallen war. In Ja'els Anwesenheit wurde seine Stimme weich und beschützend, und nie flirtete er mit ihr.
    Ja'el Eisenstein war zart wie eine Blüte. Ihr Gesicht war weiß und rein, sie hatte hellblaue Augen, in denen alle Trauer der Welt lag, sie hatte dicke blonde Locken, die ihr über die Schultern fielen, »alles Natur«, wie Racheli stolz jedem erklärte, der es wissen wollte. Wie immer war ihr zierlicher Körper in ein dünnes fließendes schwarzes Strickkleid gehüllt, dünn und glatt, und zwischen den schmalen Fingern, die gelb vom Nikotin waren, hielt sie eine Zigarette, deren Geruch das Zimmer erfüllte. »Sie raucht ausschließlich Nelsons, ununterbrochen, und sie trinkt ständig schwarzen Kaffee. Ich habe sie noch nie etwas essen sehen, und sie fährt nur mit dem Taxi, sie hat Angst vor Menschenmengen, sie kommt aus einer sehr reichen Familie«, hatte ihr Zipi einmal erzählt, als Racheli eine beiläufige Frage gestellt hatte. Zipi hätte gern eine ebensolche spirituelle Ausstrahlung wie dieses Mädchen gehabt. »Sie ist nur Geist, ohne Körper. Einmal war ich bei ihr zu Hause, ich habe versucht, sie zu überreden, sich uns anzuschließen, unserer Gruppe, und habe einen Blick in ihren Kühlschrank geworfen. Es waren nur zwei Joghurts und weißer Käse drin, das war alles. Und glaube ja nicht, daß sie jemals anders angezogen war. Ich kenne sie von Anfang an, seit dem Beginn des Studiums, und nie hat sie was anderes angehabt, und nie hat jemand gewagt, mit ihr zu sprechen. Irgendwann habe ich sie einfach mal angesprochen, und sie ist ein nettes Mädchen. Überhaupt nicht versnobt, nur scheu und unsicher. Seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe, und das ist Jahre her, trägt sie immer diese schwarzen Sachen. Auch als kurze, weite Kleider in Mode waren, hat sie einen engen schwarzen Strickrock getragen, und diese Blusen, dünne Sandalen, auch im Winter, und immer hat sie Nelsons geraucht, nie hat sie sich auf den Rasen gelegt, immer war sie in der Bibliothek und ging nur hinaus, um eine Zigarette zu rauchen, und in den Pausen hat sie in der Cafeteria immer an einem Tisch in der Ecke gesessen, immer nur mit einer Tasse Kaffee. Was soll ich dir sagen, sie ist wirklich was ganz Besonderes!«
    An Zipis Fröhlichkeit merkte Racheli, daß sie noch nichts wußte.
    Sie trat ins Sekretariat, schwenkte die Unterlagen, die sie in der Hand hielt, und verkündete: »Das war's! Ich habe das Jahr hinter mir! Ich schwöre euch, daß ich nie mehr Bibliographieren unterrichte.« Dann bemerkte sie die Stille im Zimmer, die ernsten Gesichter, und fragte: »Was macht ihr eigentlich alle hier? Ich bin nur gekommen, um die Prüfungsfragen abzugeben. Ist was passiert?« Sie machte noch ein paar Schritte ins Zimmer, und Ja'el folgte ihr.
    Beide standen vor der Fertigstellung ihrer Doktorarbeit. Zipi schrieb über die Stellung der Frau in der Volksliteratur und gehörte, wie man so sagte, Aharonowitsch. Ja'el, deren Thema hebräische Stegreifdichtung in der Literatur des Mittelalters war, wurde als persönliches Eigentum von Arie Klein betrachtet.
    Von den zehn Doktoranden der Fakultät waren nur vier als Assistenten ausgesucht worden. Sie waren zwar in verschiedenen Bereichen tätig,

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