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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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wieder, wozu Ido das gebraucht habe, diese Taucherei. Zu einer anderen Zeit hätte sich Adina aufgeregt, weil Dita Fuchs auf dem Tisch saß, doch heute übersah sie das großzügig.
    Racheli beobachtete Dita Fuchs interessiert; sie sog den Duft ihres süßen Parfüms ein und erinnerte sich an das Gerücht, daß sie Tiroschs längstes Liebesverhältnis gewesen sei. Vor vielen Jahren, hatte Racheli gehört, seien sie unzertrennlich gewesen, und auch nachdem sie ihre Beziehung beendet hatten, standen sie sich noch ziemlich nahe. Die Gesichtszüge von Dita Fuchs zeigten weiblichen Charme und Spuren von Leid, eine Kombination, die ihr, besonders an diesem Morgen, etwas Pathetisches verlieh, ganz im Gegensatz zu der gönnerhaften Freundlichkeit, mit der sie jeden behandelte.
    Erst hier, im Sekretariat, hatte Dita Fuchs von dem Unglück erfahren. Racheli war Zeugin ihres hemmungslosen Weinens gewesen, hatte die zarte Hand gesehen, die sich an den Hals gefaßt hatte, als Dita sagte: » Ich habe gewußt, daß sie in einer Katastrophe enden würde, diese Taucherei. So ein begabter junger Mann. Wozu hat er das gebraucht?«
    Adina kochte ihr einen starken Tee und streichelte ihr sogar über den Arm. Normalerweise herrschte zwischen den beiden ein abgrundtiefer Haß, der seinen Ausdruck in der zuckersüßen Freundlichkeit fand, mit der sie sich gegenseitig behandelten, und in den ausgeklügelten bürokratischen Hürden, die Adina vor den Studenten von Dr. Fuchs aufhäufte. Als Tuwja hereinstürzte, hatte sich Dita Fuchs schon etwas beruhigt, sie saß auf der Tischkante und strich sich ständig unsichtbare Falten aus dem engen Rock. »Wo ist Scha'ul?« hatte sie hilflos gefragt. Und Racheli hatte gedacht: Als brauchten sie alle dringend einen mächtigen Vater, der die Dinge in die Hand nimmt und alles organisiert. Ihr war nicht klar, was organisiert werden müßte, aber etwas von der Last, die sie alle bedrückte, senkte sich auch auf Racheli und trübte das klare Urteilsvermögen ein wenig, auf das sie sonst so stolz war. Es war schrecklich, erwachsene Menschen in solcher Bedrängnis zu sehen, daß sie nicht mehr wußten, was sie sagen sollten.
    Sarah Amir war die erste im Zimmer, die den Namen Arie Klein erwähnte. In ihrer berühmten Direktheit platzte sie in einem Moment des Schweigens heraus: »Schade, daß Arie nicht da ist. Er hätte sich um alles gekümmert, wie es sich gehört. Was für ein Glück, daß er übermorgen zurückkommt.« Dita Fuchs seufzte, und Adina sagte, wie immer, wenn sein Name fiel: »Was für ein Mann!« Dreimal hintereinander.
    Racheli hatte Professor Klein, der das letzte Jahr an der Columbia University in New York verbracht hatte, noch nicht kennengelernt, wartete aber begierig darauf. Im Laufe der zehn Monate, die sie in dieser Abteilung arbeitete, von September bis Juni, war kein Tag vergangen, an dem Adina ihn nicht erwähnt hatte. An den Tagen, an denen Post von ihm kam, vor allem, wenn er sich in seinem Brief ausdrücklich auf Adina bezog und persönliche Fragen stellte, konnte Racheli hinausgehen und Kaffee trinken, ohne von der Sekretärin getadelt zu werden. Wenn sie zurückkam, lächelte Adina immer noch, und sie las den Brief wieder und wieder, und manchmal las sie sogar einige Stellen laut vor.
    Racheli bewunderte Professor Klein schon im voraus, wegen des Lächelns auf den Gesichtern der Leute, wenn sein Name fiel. »Wann kommt er? Übermorgen?« murmelte Aharonowitsch und fügte hinzu: »Nun, vielleicht wird er es sogar schaffen, zur Beerdigung zu kommen.«
    Wieder breitete sich drückende Stille im Zimmer aus, und Tuwja Schaj fuhr sich durch die dünnen, farblosen, nach allen Seiten abstehenden Haare, mit einer Bewegung, die bei Tirosch reizvoll aussah, bei Tuwja aber grotesk.
    Die schweren Schritte Schulamit Zelermaiers waren, trotz ihrer weich besohlten Sandalen, schon von draußen zu hören. Racheli hielt die Luft an, während sie gespannt auf das Auftauchen der Frau wartete, die sie bei sich »Dinosaurier« nannte. Obwohl sie einmal in einem anthropologischen Buch gelesen hatte, daß die Dinosaurier überhaupt nicht aggressiv gewesen waren, machten sie ihr angst, sogar auf Bildern. Schulamit Zelermaier mit ihren hervorquellenden Augen, der spitzen Zunge, ihren ungezügelten Ausbrüchen und ihrem Perfektionismus weckte Furcht in ihr. Auch wenn sie ins Sekretariat kam, um irgendeine »Anekdote« zu erzählen, irgendwelchen Klatsch, hoffte Racheli angespannt, daß sie bald wieder

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