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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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verlegen dürfen. Krach wird es auf jeden Fall geben.« Gil verließ den Raum.
    »So schnell sind die Reporter da?« fragte Marom erstaunt.
    »Was heißt schnell?« antwortete Arie mit einem Blick auf seine Uhr. »Es ist schon fünf. Normalerweise kommen sie zusammen mit uns. Aber wir haben erst vor einer halben Stunde mit der Zentrale Kontakt aufgenommen, um unseren Nachrichtenoffizier zu informieren, und wenn sie jetzt schon hier sind, nehme ich an, daß auch unser Nachrichtenoffizier gleich kommt. Sie hören unseren Funk ab, und wir können die Fakten sowieso nicht geheimhalten.«
    Der Rektor blickte Gil zweifelnd an. Dessen junges Gesicht mit dem blonden Schnurrbart und den Augen mit den Lachfältchen weckte vermutlich bei jedem alten Hasen Zweifel an seiner Kompetenz.
    Gil bemerkte es, und der Anflug eines spitzbübischen Lächelns glitt über sein Gesicht, als er den Rektor anblickte und ihn von seinen schwarzen, glänzenden Schuhen bis zu den kalten Augen musterte. Dann fragte er, ob er sofort hinausgehen solle. »Sofort, und versuch sie loszuwerden. Sag ihnen, morgen gäbe es weitere Einzelheiten«, antwortete Arie Levi ungeduldig, und da ging die Tür auf, und Dani Balilati stürzte herein – sein Bauch wird jeden Tag dicker, dachte Michael –, während er die Gruppe, die sich vor der Tür drängte, mit unflätigen Flüchen überschüttete.
    »Und das«, erklärte Arie Levi Marom, der sich wieder über die Krawatte strich, »ist unser Nachrichtenoffizier, Inspektor Balilati.« Er warf Dani einen wütenden Blick zu, der sein hochgerutschtes T-Shirt wieder in die Hose stopfte, sich mit einem Taschentuch über das rote Gesicht fuhr und sich für sein Zuspätkommen mit einer vagen Erklärung, er komme gerade von einer Sitzung, entschuldigte. Er schaute sich um, und sein Gesicht entspannte sich. Er hat die Leiche noch nicht gesehen, dachte Michael.
    »Also, was ist passiert? « fragte Balilati und atmete schon wieder fast normal. »Was ist hier los?« Arie Levi informierte ihn mit ein paar knappen Sätzen.
    »Tirosch, ist das nicht irgend so ein Dichter?« fragte Balilati und warf Michael einen Blick zu, der sich inzwischen hinter den Polizeichef gesetzt hatte und eine nicht angezündete Zigarette in der Hand hielt.
    Der Rektor der Universität betrachtete den Nachrichtenoffizier auf die gleiche Art, wie er Gil, den Sprecher, betrachtet hatte, als dieser zu den Reportern hinausgegangen war. Michael fragte sich, ob jemand, der aussah wie Balilati, mit der Glatze, dem roten Gesicht, dem Bauch, der über den Bund seiner angeschmuddelten Hose quoll – ob so jemand überhaupt Vertrauen bei einem Mann erwecken konnte, der aussah wie Marom.
    »Aber am Wochenende sind alle Gebäude der Universität verschlossen, und um hineinzugelangen, muß man sich beim Sicherheitsbeamten melden und ihn bitten, daß er das Gebäude aufschließt, und dann muß man ihn wieder anrufen, wenn man rausgelassen werden will«, sagte Balilati, als beantworte er eine Frage, und schaute den Offizier der Staatsanwaltschaft an.
    Michael Ochajon antwortete ruhig, mit einer Stimme, die ihm selbst heiser vorkam, es stimme alles, was Balilati gesagt habe. Doch es sei immerhin möglich, daß der Mord am Freitag passiert sei, und das ändere die Sache. »Oder wenn jemand bis Sonntag in diesem Gebäude geblieben ist, bis, wie üblich, die Türen geöffnet wurden und jedermann frei aus und ein gehen konnte«, fügte er noch hinzu.
    Dani Balilati kratzte sich am Kopf und sagte: »Gut, diese Diskussion ist ohnehin überflüssig, solange man noch nichts über den Zeitpunkt des Todes weiß. Kann man Sicherheitsgründe ausschließen? Weiß jemand etwas über politische Aktivitäten dieses Mannes?«
    Michael hatte die Gedichte gelesen, die in verschiedenen literarischen Wochenendbeilagen erschienen waren. Sie hatten ihn nicht besonders beeindruckt, deshalb antwortete er: »Ein Salonlinker.«
    »Klar, er ist ja von der Universität«, antwortete Balilati. »Er muß ein bißchen links sein, oder nicht?« Dabei warf er dem Rektor einen Blick zu, und alle dachten, es handle sich um Ironie – außer Michael Ochajon, der ein Lächeln unterdrückte, weil er genau wußte, daß Balilati jedes Wort so meinte, wie er es sagte.
    Trocken erwiderte der Rektor, an der Universität seien alle politischen Parteien vertreten.
    »Im Fachbereich Literatur? Im Jahr neunzehnhundertfünfundachtzig soll es da irgend jemanden geben, der nicht links ist? Aber wirklich!« Balilati

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