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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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blauen Flügel, packte der Polizeichef Michael an der Schulter. Der Druck seiner fleischigen Hand drückte ihn nieder, mehr aber noch das, was der Mann sagte. »Ochajon«, sagte Arie Levi und lockerte seinen Griff nicht, »das hier ist keine normale Geschichte, ich möchte, daß eine Sonderkommission einberufen wird.« Michael antwortete nicht und betrat mit den anderen den Raum. Als sich die Tür hinter ihm schloß, spürte er, wie ihn die Müdigkeit überfiel, trotz des Wochenendurlaubs in Eilat.
    Er kannte diese Müdigkeit, die unmittelbare Reaktion auf das Gefühl, verloren zu sein, nicht zu wissen, wo er beginnen sollte. Sie kam immer nach der zweiten Welle. dem Entsetzen, das ihn bei jedem neuen Fall erfüllte, dem Gefühl, daß alles, was er einmal gekonnt hatte, wie weggewischt war, sich in Luft aufgelöst hatte. Die erste Welle war immer eine Reaktion auf die Höflichkeit, auf die Ungeheuerlichkeit des Todes selbst. Am Anfang hatte er immer die schreckliche Gewißheit, daß es diesmal keine Lösung des Falls gäbe. Und dann kam diese Müdigkeit, begleitet von Stimmen, die ihn an die Nichtigkeit des Lebens erinnerten, an die Nichtigkeit des Todes, daran, daß sich am Ende, wenn jemand eine wohlverdiente Strafe bekam, nichts ändern würde. Er schob die Gedanken beiseite und wandte sich an Arie Levi. »Herr Kommandant?«
    Arie Levi, der Polizeichef von Jerusalem, sagte: »Gut, ich glaube, daß Sie die Leitung übernehmen sollten. Ich hätte gern, daß Sie und Bachar den Stab zusammenstellen. Das Präsidium der Universität, die Presse und die verdammte ganze Welt sitzt uns im Nacken. Ich brauche eine schnelle Lösung des Falles.«
    Oberinspektor Ochajon nickte. Er kannte das alles gut. Immer war es ein besonderer Fall, immer sollte er möglichst rasch gelöst werden, auch wenn nicht jedesmal der Oberinspektor gebeten wurde, die Leitung der Kommission zu übernehmen. Jemand klopfte an die Tür. Der Pressesprecher, der diesmal eine besonders heikle Aufgabe hatte, wie ihn der Polizeichef gewarnt hatte, öffnete die Tür, und der Dekan der Universität trat ein.
    Arie Levi verhielt sich ihm gegenüber so, als sei der Rektor noch immer der Vertreter Israels bei der UNO, und Michael betrachtete die blaue Krawatte auf dem strahlendweißen Hemd und fragte sich, wie der Mann es schaffte, an einem so heißen Tag wie heute so auszusehen, so kühl und fleckenlos, während er selbst sich klebrig fühlte in seinen Jeans und dem hellblauen Hemd, das er an diesem Morgen selbst gebügelt hatte und das vermutlich jetzt aussah, als habe er es gerade aus dem Korb mit der dreckigen Wäsche gezogen. Das Zimmer füllte sich mit dem Duft teuren Rasierwassers, und Michael atmete ihn gierig ein, in der Hoffnung, dadurch den anderen Geruch loszuwerden, der alles überdeckte. Herr Marom, der Rektor, war blaß, und in seinen hellen Augen lag Panik. Michael fragte sich, wie Marom auf den Anblick der Leiche reagiert hätte, und war peinlich berührt durch die Höflichkeit Arie Levis, der sich auf eine irgendwie untertänige und wichtigtuerische Art vorstellte, mit Namen und Rang. Michael fragte sich, wann er wohl seine Rangabzeichen poliert hatte. Arie Levis besonderes Verhältnis zu Menschen mit einem höheren Bildungsgrad war eine der Hauptursachen für seine gelegentlichen Ausbrüche gegen Michael. Eli Bachar zitierte oft mit großem Vergnügen den Spruch »Das ist hier keine Universität, Ochajon, was?«, mit dem Levi jeden Zweifel seines Untergebenen an einem seiner Befehle vom Tisch wischte, ganz am Anfang, als Michael noch Inspektor gewesen war.
    Doch dies war die Universität, und verlegen hörte Michael die Worte: »An der Spitze der Untersuchungskommission wird Oberinspektor Ochajon stehen, der einmal ein großer Star bei Ihnen gewesen ist ... Geschichte, stimmt's. Ochajon?« Der Rektor der Universität warf ihm einen Blick zu, eine Mischung aus Angst und Höflichkeit, rückte sich die Krawatte zurecht und nickte Levi zu, der ohne Pause weiterredete.
    Avidan, der Offizier der Staatsanwaltschaft, stellte sich dem Rektor vor, dann begann er, verschiedene Vermutungen anzustellen. Zuerst gerieten sie in eine lange Diskussion über die Sicherheitsvorkehrungen an der Universität. Sie sprachen darüber, wann das Gebäude verschlossen wurde, darüber, wie jemand am Wochenende in seinem Zimmer bleiben konnte, ohne daß der Sicherheitsbeauftragte etwas davon erfuhr. Schließlich meinte der Bezirkssprecher, man müsse abwarten, bis der

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