Am Anfang war das Wort
Vorgang, aber man muß ihn absprechen. Man ruft die Nummer 883000 an und sagt Bescheid. Setzt du dich bitte mit dem Polizeichef in Verbindung? Ich würde ihn gerne heute noch sprechen. Ach ja, und sag allen Bescheid, daß morgen früh um sieben eine Teambesprechung stattfindet.«
»Und wann willst du den Fernsehfilm anschauen?« Michael schwieg, ging innerlich alles durch, was an diesem Tag noch erledigt werden mußte, dann antwortete er: »Später am Abend.« Nach einem Moment fügte er hinzu: »Und wir können schon die Tagesordnung für morgen festlegen, wenn die ganze Mannschaft da ist.«
Zila stand auf. Ihre Bewegungen waren schwerer als sonst, und als sie an der Tür stand, sagte er: »Bitte schick mir die Fakultätssekretärin herein«, und stellte das Aufnahmegerät an. Er mußte unbedingt das quälende Gefühl loswerden, das ihn seit dem Gespräch mit Racheli bedrückte.
Adina Lifkin trug ihr »gutes Kleid«, stellte Michael fest und unterdrückte ein Lächeln. Er nahm an, daß sie dieses Kleid zu wichtigen Anlässen trug, auch wenn sie mit Behörden zu tun hatte, doch offenbar geschah das nicht so oft, dachte er, denn das Kleid, aus schwerem, dunklem Stoff, war ihr inzwischen mindestens eine Nummer zu klein geworden, so daß es um ihren Bauch und die schweren Arme spannte. Ihr Gesicht war rot, und sie streckte den Kopf. Schwer atmend setzte sie sich auf den Stuhl, auf den er deutete. Ihre Hände umklammerten den Griff einer schwarzen Lacktasche, die sie auf den Knien hielt, und ihr Blick heftete sich voller Abscheu auf die Zigarette, die er sich gerade anzünden wollte. Er legte sie unangezündet zurück auf den Tisch.
Als er sie fragte, was sie am Freitag alles getan hatte, schaute sie ihn mit runden, hervorquellenden Augen an. Sie sah aus wie eine Schülerin, die vor einer mündlichen Prüfung stand, auf die sie sich ein ganzes Jahr lang vorbereitet hat. »Sie meinen, nach der Fakultätssitzung?«
Michael Ochajon antwortete, er meine alles, was sie an jenem Tag getan habe.
»Aha«, sagte Adina Lifkin, als sei ihr die Frage nun klar, und nickte heftig mit dem Kopf, wobei sich keines ihrer Löckchen bewegte. »Wenn ich mich recht erinnere, und da kann ich nicht ganz sicher sein, es gibt immer Sachen, an die wir uns zu erinnern glauben, es aber in Wirklichkeit nicht mehr ganz genau wissen, jedenfalls, wenn ich mich richtig erinnere, war ich schon um sieben Uhr morgens im Büro, weil ich viel zu tun hatte, schließlich ist das Semester bald zu Ende, und die Studenten sind vor den Prüfungen immer so angespannt und haben es eilig, ihre Arbeiten abzuliefern, ich weiß wirklich nicht, warum sie immer bis zur letzten Minute warten, aber das ist eine andere Frage.« Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, das nichts Fröhliches hatte, nur das Zögern eines Menschen, der seinen guten Willen zeigen will und prüft, ob er sein Ziel erreicht hat. Michael nickte unwillkürlich als Antwort auf ihr Lächeln.
»Jedenfalls war ich schon um sieben im Sekretariat und habe einige Telefonate erledigt, weil ich die Zeit ausnutze, wenn die Universität leer ist, um alles vor der Sprechstunde fertig zu haben, schließlich ist der Freitag besonders kurz, und sogar wenn offiziell keine Sprechstunde ist, gibt es immer Studenten, die etwas wissen wollen, und obwohl ich sie nicht außerhalb der Sprechstunden empfange, gibt es manchmal Sonderfälle, nun ja, und das unterbricht den Arbeitsrhythmus. jedenfalls, ich habe telefoniert. Ich glaube, ich habe Dr. Schaj angerufen, wegen eines Studenten, der seine Seminararbeit mit großer Verspätung abgegeben hat, und dann Dr. Schulamit Zelermaier, die kann man morgens am besten erreichen, weil ich eine Frage wegen der Abzüge ihrer Prüfungsaufgaben hatte, und dann habe ich Professor Tirosch angerufen, weil es ein Problem mit dem Budget gab, für das nur er allein zuständig war.«
Endlich hielt sie inne, um Luft zu holen, und wohl auch, weil ihr plötzlich wieder die veränderte Situation einfiel, dann fuhr sie fort, in allen Einzelheiten zu berichten, was sie nach den Telefongesprächen getan hatte. Michael fühlte sich wie der Zauberlehrling, der den Besen nicht mehr loswurde. Der Redestrom schwoll immer mehr an, während das Gesicht Adina Lifkins den zufriedenen Ausdruck eines Menschen annahm, der eine Prüfung mit Bravour meistert. Michael fühlte sich auf einmal sehr müde und vollkommen hilflos, und dabei wußte er, daß sie, wenn er sie jetzt stoppte, nicht mehr würde
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