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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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weiterreden können. Von Zeit zu Zeit notierte er etwas auf einem Zettel, was sie dazu veranlaßte, ihn befriedigt anzuschauen, ohne daß sie aufhörte zu reden. Er konnte inzwischen nicht mehr die Spreu vom Weizen trennen, und erst nach etwa zwanzig Minuten riß er sich zusammen, erinnerte sich daran, daß sie in Wirklichkeit keine Macht über ihn besaß. Da war sie gerade dabei zu beschreiben, was am Nachmittag passiert war.
    Sie hatte gebacken, »die Kinder sollten am Wochenende kommen, obwohl mein Enkel ein bißchen Fieber hatte und meine Tochter zögerte, weil ihr Mann sich nicht so gut fühlte, er hat sich gestern den ganzen Tag untersuchen lassen«, und so weiter und so weiter, mit einer hohen, heiseren Stimme. Als sie anfing, den Besuch der Tochter zu beschreiben, gelang es ihm endlich, den Redefluß zu unterbrechen. »Entschuldigen Sie, nur einen Moment.« Sie schwieg sofort und sah ihn erschrocken, doch äußerst gutwillig an. Dann fragte er sie nach ihren Beziehungen zu den Angehörigen der Fakultät.
    Ihr Weltbild, soweit es diese Leute betraf, beschränkte sich auf ihre administrativen Funktionen. Jede ihrer Antworten bezüglich ihrer Meinung und ihrer Gefühle gegenüber den Dozenten bezog sich auf die Art, wie sie ihre Pflicht erfüllten, wie sie ihre Noten gaben, wie sie die Arbeiten korrigierten, wie sie Fragebögen ausfüllten. Michael erfuhr, daß Dr. Schaj jede Seminararbeit ernst nahm und sich mit der Korrektur beeilte, daß seine Noten gut begründet waren. »Gut, ich verstehe nicht viel davon, aber alles geht über mich, die Studenten bringen mir ihre Arbeiten, und ich gebe sie an den entsprechenden Dozenten weiter, so verhindern wir, daß es Probleme gibt, denn es ist schon passiert, daß ein Student behauptet hat, er habe die Arbeit abgegeben und der Dozent habe sie verloren, und wofür brauchen wir solche Probleme?« Sie strich ihr Kleid glatt.
    Jede Frage nach der Persönlichkeit der Leute, nach Veränderungen, nach ihren Beziehungen untereinander, erschreckte sie, und ihre Stimme wurde ängstlich.
    »Ich interessiere mich nicht für Klatsch«, sagte sie entschieden, als er sie über die Beziehung Tiroschs zu der Frau von Dr. Schaj fragte. »Dr. Schaj macht seine Arbeit, wie es sich gehört, es war immer alles in Ordnung.« Schnell fügte sie hinzu: »Soweit ich etwas davon verstehe, jedenfalls.«
    Scha'ul Tirosch, so erfuhr er, nachdem er – allerdings erst nach einer halben Stunde – herausgefunden hatte, was man sie fragen durfte, hatte nicht immer seine Pflicht erfüllt, aber sie hatte irgendwie Angst vor ihm, eine gewisse Ehrfurcht, obwohl er seine Korrekturen nicht immer rechtzeitig machte. Manchmal beschwerten sich sogar Studenten, daß er nichts schriftlich erklärte, und manchmal waren sogar schon Vorwürfe gekommen, er lese die Arbeiten vermutlich überhaupt nicht. »Aber das geht mich nichts an, davon verstehe ich nichts«, erklärte Adina Lifkin so entschieden, als wolle sie sagen: Es wäre nicht anständig, von mir eine Information auf einem Gebiet zu verlangen, das nicht Gegenstand der Prüfung ist.
    »Ido Duda'i«, sagte Adina pathetisch, und ihr Gesicht bekam einen ernsten und feierlichen Ausdruck, »war so freundlich, so interessiert. Es gibt nur wenige Leute, die es schätzen, wenn andere sich bei der Arbeit große Mühe geben. Ido Duda'i war so einer. Immer hat er sich bei mir bedankt, und immer hat er meine Zuverlässigkeit gelobt, und immer ... « Michael ließ sie schluchzen, wartete, bis sie sich lautstark die Nase mit einem Papiertaschentuch geputzt hatte, das sie mühsam aus der schwarzen Tasche gekramt hatte.
    Manchmal, sagte er sich, während er sorgfältig darauf achtete, den undurchdringlichen Gesichtsausdruck nicht zu verlieren, sind die Menschen selbst klischeehafter als das Klischee, das man im Kopf hat. Adina Lifkin bestätigte alle seine Vorurteile gegenüber einer Sekretärin, die sich vollkommen mit ihrem Job identifiziert. Und man kann einfach nicht sagen, überlegte er weiter, ob sie immer so gewesen ist oder ob sich im Laufe der Zeit die Grenzen zwischen ihrer Person und ihrer Arbeit immer mehr verwischt haben. Er hob den Blick von dem Blatt Papier und betrachtete sie mit neu erwachtem Interesse.
    Schon kurz nachdem sie das Zimmer betreten hatte, hatte Michael erfahren, daß das Objekt ihrer besonderen Wertschätzung Professor Arie Klein war. »Das ist ein Mensch!« hatte sie gesagt. (Dreimal, und jedesmal mit einer anderen Betonung. Einmal hatte sie

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