Am Anfang war das Wort
unterbrach ihn Schorr, »ich komme wieder darauf zurück, es gibt nur einen Weg, herauszubekommen, ob Tirosch sich an den Preßluftflaschen zu schaffen gemacht hat, nämlich nachzuforschen, ob er sich Kohlenmonoxyd beschafft hat.« Er öffnete die Autotür und stieg aus. Dann bückte er sich noch einmal und schob den Kopf durch das offene Fenster, lächelte und sagte: »Wir haben schon schwierigere Dinge in unserem Leben geschafft. Schlaf gut.« Er schlug mit der Hand auf das verstaubte Autodach.
Um ein Uhr nachts parkte Michael Ochajon das Auto vor seinem Haus und stieg langsam aus. Noch immer klangen ihm die Stimmen in den Ohren. Der graue Einband des Buchs von Anatoli Ferber fiel ihm ein, das noch immer auf seinem Bett lag. Er überlegte, was Ido Duda'i wohl dazu veranlaßt haben könnte, seine akademische Karriere zu gefährden, indem er ausgerechnet ein politisches Gedicht Tiroschs kritisierte. Noch dazu bei einem Fakultätsseminar, dachte er, als er die Tür seines Autos abschloß. Er wußte, daß er die nächsten Stunden in dem Gedichtband lesen würde.
Von außen konnte man nicht sehen, ob in seiner Wohnung Licht brannte. Nur das Küchenfenster ging zur Straße, die anderen Fenster lagen auf der Hangseite, einem Wadi gegenüber. Wie viele Wohnungen in Jerusalem war auch seine, zu der man eine Treppe hinuntersteigen mußte, am Vormittag von Licht überflutet.
Es war die dritte Wohnung, in der er seit seiner Scheidung lebte. Er hatte sie nun schon vier Jahre und bemühte sich, sie als dauerhaften Wohnsitz zu betrachten. Damals, nach der Trennung von Nira, war ihm klar gewesen, daß er vielleicht nie mehr eine eigene Wohnung besitzen würde, und seither versuchte er, jede Wohnung als Zuhause zu betrachten. Bei mir gibt es zwar keine Blumentöpfe, dachte er, als er im Treppenhaus den Kaktus stehen sah, den irgend jemand von der Mietergemeinschaft hartnäckig goß, aber dafür ist die Wohnung immer aufgeräumt, im Kühlschrank gibt es was zu essen, und die Möbel, die er im Laufe der Zeit angeschafft hatte, vermittelten auch Juval das Gefühl, es handle sich um ein Zuhause.
Drei Zimmer, ziemlich klein, vor dem Wohnzimmer eine langgestreckte Terrasse, die in eine Grünfläche überging. Im Wohnzimmer standen ein braunes Sofa und zwei alte Sessel, die er mal geerbt hatte, und obwohl ihre Farben nicht zum Sofa paßten und sie eigentlich zu schwer für das kleine Zimmer waren, so waren sie doch bequem. Ich könnte sie neu beziehen lassen, dachte er. Neben dem blauen Sessel stand eine Leselampe, auf dem Boden lag ein großer, dünner Teppich, den er nach der Scheidung von seiner Mutter bekommen hatte, und auf einem Regal in der Ecke standen die Stereoanlage und der Fernseher. In einem kleinen Regal neben dem blauen Sessel standen einige Bücher, an denen er besonders hing (alle Bände von John le Carre, auf hebräisch und englisch, Gedichte von früher von Nathan Alterman, Verschiedene Gedichte von Sach, Gebrauchsgedichte von Avidan und Weiße Gedichte von Tirosch, die Madame Bovary von Flaubert, zwei Bände über das zaristische Rußland, Erzählungen von Tschechow und Gogol, einige Bände der Menschlichen Komödie von Balzac, auf französisch, The sound and the fury von Faulkner, Erinnerungen an Goldmann von Ja'akov Schabtai und einige Hefte von Zeiten, in einem war ein Aufsatz von ihm veröffentlicht, über die Gilden während der Renaissancezeit). Unter dem Telefon lagen die Strom- und Wasserrechnungen.
In dem blauen Sessel saß Maja, mit übergeschlagenen Beinen, und unter ihrem hellen Baumwollrock schauten ihre nackten Knie hervor. Im Zimmer brannte nur die Leselampe, und in ihrem Licht sah er den rötlichen Ton ihrer Haare, und auch die grauen Fäden darin. Sie schaute ihn an, ohne etwas zu sagen. Wegen der vollkommenen Stille, die im Zimmer herrschte – sie hatte noch nicht einmal das Radio angemacht –, wußte er, daß etwas geschehen war.
Nur wenn sie schlief, war ihr Körper ruhig, sonst war sie ständig irgendwie in Bewegung. Sie trommelte den Takt der Musik – sie hörte immer Musik –, manchmal kochte sie, auch wenn sie nur auf einen Sprung gekommen war, oder sie redete ununterbrochen, während sie gleichzeitig kochte und Musik hörte. Wenn sie ihn in seiner Wohnung erwartete, fand er sie meist in der Küche oder im Bett, mit zusammengezogenen Brauen in ein Buch vertieft, während ihre Hand über die Bettdecke strich. Manchmal, wenn sie müde war, saß sie in dem blauen Sessel und schaute fern,
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