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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ein Buch auf den Knien. Noch nie hatte er gesehen, daß sie ruhig dasaß, mit übergeschlagenen Beinen, und aus dem Fenster schaute, wie sie es jetzt tat. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck, den er in all den Jahren, die er sie nun kannte, nur ein paarmal an ihr bemerkt hatte und der jedesmal plötzlich gekommen und wieder verschwunden war, ohne Erklärung. Sie saß starr da und sah zugleich verzweifelt und vollkommen ruhig aus, wie ein Mensch, dem eine Katastrophe bevorsteht, vor der er sich nicht schützen kann. Etwas in ihrem Gesicht ließ ihn schweigen.
    Er setzte sich in den anderen Sessel, den geblümten, und legte die Schlüssel auf den kleinen Teetisch. Er wagte nicht, sich ihr zu nähern. Sieben Jahre waren sie nun zusammen, und noch immer gab es Momente, in denen er nicht wagte, ihr nahe zu kommen. Dann zündete er sich eine Zigarette an und wartete. Einige Minuten vergingen, bis er schließlich fragte, was passiert sei. Als er die Kälte in ihrer Stimme hörte und das leichte Zittern seiner Hände fühlte, wußte er, wie groß seine Angst war.
    Maja schaute ihn mit verschleierten Augen an und bewegte ein paarmal die Lippen, bevor es ihr gelang, mit zitternder Stimme zu sagen, sie könnten sich für einige Zeit nicht mehr sehen. Es war das erste Mal, daß der Wunsch nach einer Trennung von ihr kam. Immer war er es gewesen, der versucht hatte, die Beziehung zwischen ihnen zu beenden, weil er ihr Doppelleben nicht mehr ertragen konnte, die gestohlenen Minuten, die sie ihm schenkte.
    Schon zu Beginn ihrer Beziehung hatte sie klargemacht, daß sie nicht bereit war, über ihren Mann zu sprechen, auch nicht über ihre Ehe, und nicht einmal über die Gründe, warum sie nicht vorhatte, mit ihm zu leben. Nur Dana, ihre Tochter, die damals drei Jahre alt gewesen war, erwähnte sie manchmal. Michael wußte natürlich, wo sie wohnte, und er kannte sogar die Stimme ihres Mannes vom Telefon, als er die Beziehung, nachdem er sie abgebrochen hatte, wiederaufnahm. An dem Abend, als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, hatte er im Telefonbuch ihre Adresse nachgeschlagen. »Wolf, Maja und Dr. Henry, Neurochirurg«, stand da, und seither stellte er sich ihre luxuriöse Wohnung in der Hativonimstraße vor, den Ehemann, vielleicht grauhaarig, vielleicht älter als sie, aber zweifellos eine beeindruckende Erscheinung, und im ersten Jahr ihrer Beziehung hatte es ihm tief in seinem Herzen sogar geschmeichelt, daß sie, die in einem prachtvollen Haus in der Hativonimstraße lebte, mit einem Arzt als Ehemann (er hörte sogar den Klang eines Klaviers), ihn vorzog und zu ihm kam.
    Nach einem Jahr erzählte er ihr, sich über sich selbst lustig machend, davon. Sie lachte, sagte aber nichts dazu. Er hatte ihr allerdings nie von den Malen erzählt, die er abends an der Straßenecke gestanden hatte, von dem einzigen Mal, als er sie hatte aus dem Haus kommen sehen, am Arm eines kleinen, mageren Mannes, der langsam ging, auch nicht davon, daß er im Sche'arei Zedek gewesen war, in dem Krankenhaus, wo ihr Mann arbeitete, und die Namenschilder betrachtet hatte, die die Ärzte auf der Brust trugen, ihn aber nicht entdeckt hatte.
    Rückblickend wußte er nicht, in welchem Augenblick Maja von einem angenehmen Abenteuer zum Gegenstand seiner Sehnsucht geworden war. Rückblickend – und er hörte nicht auf, zurückzublicken, in den langen Nächten, die er immer öfter allein verbrachte, müde von den vergeblichen Versuchen, einen Ersatz für sie zu finden – dachte er manchmal, daß Maja schon bei ihrem ersten Zusammentreffen, so unschuldig es auch gewesen war, zur Frau seines Lebens geworden war. Doch auch er wußte, daß es nur im Rückblick möglich war, die Struktur, den Verlauf, die Verhaltensmuster festzustellen. Zu dem Zeitpunkt, als die Geschichte anfing, hätte er die Entwicklung unmöglich voraussagen können. Hätte man ihn gefragt: Und wenn du es gewußt hättest, hättest du etwas anders gemacht?, so hätte er auf der Stelle und ohne Zögern geantwortet, daß es auch dann genau so geschehen wäre.
    Jetzt hörte er sich in demselben kühlen Ton wie sie fragen, ob sie Kaffee wolle, und er sah, daß sie den Kopf schüttelte.
    Sie wollte nichts, nur seine volle Aufmerksamkeit. Die Dinge seien ohnehin schwer genug, sagte sie und glättete den Saum ihres Rockes. Es gehe um ihren Mann.
    Michael war wie betäubt. Nie hatte Maja die Formulierung »mein Mann« benutzt, nie seinen Namen erwähnt. Selbst er schaffte es meistens, das Thema zu

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