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Am Anfang war die Nacht Musik

Am Anfang war die Nacht Musik

Titel: Am Anfang war die Nacht Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Walser
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das stechende Weiß und das weiße Stechen, vergessen das schmerzhaft blendende Gleißen. Dumm, zu glauben, Sehen sei lustvoll wie Singen. Das Singen der Donau. Singen kann Maria jeden Tag und ohne sich zu verletzen. Singen ist nach Klavierspielen das Beste. Dem Atem sich öffnen. Sich innen vom Atem streicheln und außen von der Stimme einhüllen lassen, mitsamt Raum, in dem sie sich befindet, und allem Drumherum. Dem immer weiter werdenden Drumherum.
    Marias Welt-Raum. Daran ändert die Augenbinde nichts, die Mesmer ihr verordnet hat. Er ist so besorgt um sie. Fünf Schichten Seide, darunter müsse es stockdunkel sein. Er hatte sich getäuscht. Nicht einmal fünf Schichten Seide reichten aus.Das Licht schoss durch die Ritzen, wo die Binde auf der Nase auflag, zu ihren Augen hinauf.
    Mesmer musste die winzigen Ritzen verschließen. Nur wie.
    Er zog Anna zurate. Zwei Tage lang häkelte sie an winzigen Pölsterchen, um die Lücken zu schließen. Experimentierte mit Garn, Farbe, Form. Ließ das Fräulein neben sich sitzen, um Maß zu nehmen an ihrem Gesicht.
    Sagte, die schwarzen, wurstförmigen, nicht zu locker gehäkelten seien die besten.
    Ob sie auch schwarz und bohnenförmig sagen dürfe, wollte Maria wissen.
    Warum nicht. Über diese schwarzen bohnenförmigen wickelte Anna fünf Schichten Seide. Die sich anfühlen wie Blumen. Blütenblätter.
    Als hätte Mesmer ihr Blumen geschenkt.
    Maria zählt sie mit den Fingern nach. So weich und zart hatte sie sich Licht vorgestellt. Bevor es sie traf. Wenn es das Licht war, das sie traf, mit einer Wucht, dass sie ohnmächtig wurde. Das war eine Kriegserklärung. Nein, das Licht war perfide. Hinterfotzig wie der Preußenkönig.
    Ein Licht ohne Kriegserklärung. Wie Fritz in Schlesien eingebrochen war. Ihr Erzfeind, das Licht.
    Man müsse sie schützen vor dem Licht. Besonders jetzt. Im grellen Vorfrühling. Das hat sie Mesmer sagen hören.
    Seine tiefe Stimme gibt allem, was er sagt, ein Fundament. Als sie wieder zu sich gekommen war, sprach er von den länger werdenden Tagen und er versprach ihr, dass sie, angemessen eingepackt, bei milder Witterung spazieren gehen dürfe. Im Garten. Ein Gartenspaziergang werde sie harmonisieren.Die Schneeglöckchen und Märzenbecher, an der Hauswand vielleicht schon Krokusse.
9. März 1777
    Am Morgen war sie hinter Mesmer her unzählige Stufen hinaufgestiegen. Nach ihr Kaline und der Kutscher, die zerrten ihre Koffer und Kisten hinauf. Die Stufen ächzten, das Holz. Ihre Kisten und Koffer ächzten, Kaline und der Kutscher.
    Jetzt wohnt sie unterm Dach. Die Mansardenfenster sind klein und vernagelt. Der Kutscher sagte, die Tauben würden gern hier oben wohnen. Ließe man sie, würden sie aus dem Taubenschlag hier herauf ziehen, ihre Nester zwischen die Balken bauen und auf die Simse.
    Taubengurren beim Aufwachen, Taubengurren beim Einschlafen. Die Kratzgeräusche kleiner Krallen auf Holz. Fedrige Umdrehungen, wenn die Vögel sich wenden. Unter dem Federbett das Gefühl, sie liege in einem Nest mit ihnen, so nah hören sie sich an. Lieber Tuchfühlung mit den Tauben als mit Jungfer Ossine. Maria geht ihr aus dem Weg, ihren katzenhaft hausgreifenden Schritten, ihrer sich selbst antreibenden Stimme. Dafür läuft sie Umwege. Verzichtet auf ihr Frühstück.
    Wie heute Morgen. Sie war schon im Speisesaal, als sie ein Schlürfen vernahm. Deutlich war es dicke heiße Schokolade, die da geschlürft wurde. Dann landete die Tasse auf der Untertasse. Heftig, fast scherbelnd. Sie hörte Ossine fragen, ob noch ein kleines Tässchen davon da sei. Und ein Kipferl. Die Stimme, die nicht sagt, was sie meint. Sie wollte kein kleines Tässchen, kein Kipferl. Sie wollte Kannen. Große KannenSchokolade und pfundweise Kipferl. Es gibt diese Leute, die innen aus nichts als Löchern bestehen. Nie satt von nichts. Alles fällt wie durch sie hindurch aus der Welt. So war Ossine. Eine Art Ende der Welt. Auch wenn es auf einer Kugel anscheinend kein Ende gibt. Was man ist, hat man ihr auf jeden Fall genommen. Man ist, was ihr fehlt. Und schlafend schläft man ihren Schlaf. Maria war, noch kaum über die Schwelle, gleich wieder umgedreht und weiter zum Klavierzimmer geschlichen. Hatte ihren Frühstücks-Schokoladendurst mit dem Bach’schen Hammer ins Klavier gefugt. Bis sich plötzlich etwas näherte. In ihrer Nase auftauchte. Und darüber war sie so erstaunt, dass sie ihr Spielen unterbrach.
    Der kleine Kornmann stand neben ihr und sagte, die Tasse Schokolade habe

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