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Am Anfang war die Nacht Musik

Am Anfang war die Nacht Musik

Titel: Am Anfang war die Nacht Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Walser
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kaiserlich-königlicher Proviantamtsobristleutant Konrad von Posch, habe ihr Lesen undSchreiben beigebracht. Und doch wohl nicht umsonst. Damit müsse sie etwas anfangen. Das sei ihre Pflicht. Er könne ihr doch auch etwas beibringen. Sei das zu viel verlangt? Sie unterstütze ihn, wo sie nur könne. Habe ihm das Laboratorium eingerichtet. Mit neuester Technik! Wer von seinen Kollegen habe schon ein Mikroskop von de Leeuwenhoek! Dafür könne er ihr, seiner Angetrauten, auch etwas zurückgeben. Ein Stück von seiner Methode.
    Sie solle sich gedulden, sagt er.
    Wie lang noch? sagt sie. Und was er sich dabei denke, sie des Zimmers zu verweisen. Vor der Jungfer. Die werde doch in ganz Wien verbreiten, in welchem Ton der Doktor sich erlaube, mit seiner Frau zu sprechen. Witwe des kaiserlich-königlichen Proviantamtsobristleutants von Posch. Ob er naiv sei.
    Er hebt die Hand, er lässt sie sinken. Jede Geste bringt sie tiefer in Rage.
    Kein Problem. Natürlich werde er sie unterrichten.
    Und warum er sie dann neulich hinausgeworfen habe? Vor der kleinen Paradis.
    Er zuckt mit den Schultern. Der falsche Zeitpunkt, sagt er. Sobald die Therapie anschlage, könne sie dabei sein. Und zwar so oft und wann immer sie möge.
    Sie sieht ihn prüfend an. Ob das Absicht sei?
    Was?
    Dass er sie nicht teilhaben lasse an seinem Leben? Und jetzt auch noch anlüge.
    Er lüge nicht.
    Oh doch, sagt sie. Die Therapie hat bereits angeschlagen.
    Was sie damit meine?
    Ob er sie für blind halte?
    Er wartet.
    Die Augen der Kleinen. Stehen nicht mehr heraus! Wenn das kein Erfolg sei! Nach kaum einer Woche!! Sie habe ihm eigentlich gratulieren wollen. Allein sein Verhalten mache es schwer …
    Sie tritt zu ihm hin, umarmt ihn. Er macht sich los.
    Mit ihrem verstorbenen Mann, sagt sie, habe sie einen Sohn gezeugt. Der sei jetzt immerhin auf der Militärakademie. Also flügge. Und ihm, ihrem Mesmer, habe sie stattliche zehn Jahre voraus. Zu alt für weitere Kinder. Aber … sie habe gedacht … die Patienten … könnten ihre … deine und meine … Kinder sein …
    Von ihren Phantasien hat er nichts gewusst.
    Kompliment, sagt er. Sie sei eine gute Beobachterin. Das müsse ein Mediziner auch sein.
    Ob er ihr also den Trick verraten werde?
    Welchen Trick?, sagt er.
    Den, auf den es ankommt, sagt sie. Den, mit dem er die Menschen unter Kontrolle bekomme.
    Er wisse nicht, wovon sie rede, sagt er.
    Oh doch, sagt sie. Du weißt es ganz genau. Ich seh dir an, dass du es weißt. Sag einfach Ja …
    Sie droht, wieder laut zu werden.
    Er kommt ihr zuvor. Mit seinem Ja. Das zusammenfällt mit einem Räuspern. In der Tür steht Kaline.
    Und Anna brüllt. Was ihr einfalle. Sie zu belauschen …
    Verzeihung, unterbricht Kaline. Der neuen Patientin gehe es schlecht. Entsetzlich schlecht. Sie wälze sich unter Schmerzen auf dem Boden. Bohre die Fäuste in die Augenhöhlen, dass sie, Kaline, fürchte, die Augen würden dem Druck nicht mehr lange standhalten …

    Nahe dem Klavier liegt das Fräulein. Über sie gebeugt, kniet der kleine Kornmann. Wedelt ihr mit ihrem Fächer Luft zu. Und zeichnet mit seinem Zeigefinger ihre auf die Augen gepressten Fäuste nach, das gerötete Gesicht.
    Mesmer schickt ihn hinaus, zündet eine Kerze an. Spricht ihren Namen. Keine Reaktion. Er setzt sich vor ihre Füße. Berührt ihre Knie.
    Warum sie weine, jetzt, wo doch die Augen Fortschritte machten. Ob sie sich nicht freue?
    Zeigen Sie mir die Augen. Ich will sie sehen.
    Sie nimmt die Fäuste weg, setzt sich auf.
    Öffnen Sie die Augen bitte.
    Sie gehorcht.
    Er hält ihr die Kerzenflamme entgegen. Sie schreit auf. Die Hände schnellen zum Gesicht, bedecken es. Sie fällt nach hinten auf den Rücken. Ein Lichtblick. Darauf hat er gewartet.

Neuntes Kapitel
15. Februar 1777
    Licht gleich Schmerz. Sehen tut weh. So muss es sein. Wenn sie das gewusst hätte. Wäre sie bei ihren Eltern geblieben. Vielleicht. Vielleicht nicht. Nebenwirkungen des Sehens. Davon hat keiner gesprochen. Nicht die Eltern, nicht die Doktoren, nicht die Freundinnen. Die haben geschwärmt. Sie hat ihre Aahs und Oohs noch im Ohr. Fast schon gesungen waren die. Reichten hinauf in die höchsten Regionen von Quietschtönen. Quietschesquietschtöne. Aus denen Maria schloss, Sehen müsse reinste Lust sein. Doch nicht das Sehen ist es. Die Leute schwärmen von dem, was sie sehen, wie sie von dem schwärmt, was ihr als gesehen erzählt wird. Kleider, Blumen, Häuser, Pferde, Kutschen. Diamanten und Frauen. Sie vergessen

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