Am Ende der Angst
Sachlage auf. Nachdem sie sich beruhigt hatte, stellte ich ihr meine Frage noch einmal.
»Na klar, er kannte bedeutende Leute. Mehrere. Aber fragen Sie mich nicht, woher. Er hat in letzter Zeit ständig von ihnen gesprochen.«
»Hat er nur so getan, als würde er sie kennen, oder war es echt?«
»Was weiß ich?« Sie zuckte mit den Schultern und wurde unsicher. »Ich denke schon, dass er sie wirklich kannte. Er erzählte kleine Anekdoten über einen Richter oder Politiker, was sie so gesagt hatten oder wohin sie in Urlaub fuhren. Meinen Sie, das hat er sich nur ausgedacht?«
»Das versuche ich herauszufinden. Hat er mal einen französischen Diplomaten erwähnt?«
»Das kann sein, aber ich bin mir nicht sicher.«
»Was hat er über ihn gesagt? Hieß der Mann vielleicht Patrick Jeroux?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Wissen Sie, ob er jagte?«
»Ja, das weiß ich ganz sicher. Er hat meinem Mann das Gewehr gezeigt, aber anfassen durfte es Antonio nicht.«
»Wissen Sie, ob Soderman Probleme mit den Zähnen hatte?«
»Er war über den Zoo versichert, aber ich weiß nicht, wie seine Zähne waren. Keine Ahnung. Er hat viel getrunken.« Sie imitierte mit der Hand die Bewegung des Trinkens. Für den Fall, dass ich nicht wusste, was sie meinte.
»Wo hat er gejagt?«
»Im Wald natürlich, wo denn sonst?«
»Hat er viele Partys gefeiert? War er ein Partyhengst?«
Sie kicherte. »Er hat gerne Grillabende im Garten ausgerichtet, aber jeder musste sein Fleisch und das Bier selbst mitbringen. Da sind nur wenige gekommen. Wir waren mal da. Es war ganz nett.«
»Was wissen Sie von einem schwarzen Mercedes? War der schon mal hier?«
Sie dachte einen Moment nach, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Ist mir nicht aufgefallen. Paul selbst hat kein Auto. Hatte kein Auto«, korrigierte sie sich schnell.
»Wer ging hier ein und aus? Wen haben Sie gesehen?«
»Niemanden. Paul hatte kaum Besuch. Mal ein Mann von der Zeitung, der ihm ein Abonnement aufschwatzen wollte. Bei mir war der Kerl auch. Aber sonst ist mir niemand aufgefallen. Er ging zur Arbeit, kam nach Hause und blieb bis zum Morgen im Haus. Am Wochenende fuhr er mit dem Bus und einem Rucksack weg, zur Jagd. In letzter Zeit auch manchmal abends, aber mehr kann ich Ihnen wirklich nicht sagen. Wie ist er denn umgekommen?«
»Er wurde erschossen.«
Sie schwieg einen Moment und schüttelte den Kopf, als könne sie nicht fassen, was ich gerade gesagt hatte. Dann sah sie mich an.
»Ich habe ihn nur als Nachbarn gekannt und wir hatten unsere Streitigkeiten wegen eines überwachsenden Busches, bei denen er uns mit Hilfe seines Anwalts gnadenlos untergebuttert hat, aber so einen Tod hat er nicht verdient.«
Ich wurde hellhörig. »Er hatte einen guten Anwalt?«
»Ja, irgendein Schickimickityp. Gegen den hatten wir keine Chance. Der Baum musste weg.«
»Wann war das?«
»Erst vor kurzem. Wir haben den Baum vorige Woche gefällt. Wenn wir gewusst hätten, dass ihm das passiert ...« Sie ließ das Ende des Satzes offen.
»Wissen Sie den Namen des Anwalts?«
»Ja, Dr. Lewis. Ein schmieriger Typ.«
Das konnte ich mir vorstellen.
Ich stellte ihr noch ein paar Fragen zum nachbarschaftlichen Zusammenleben, aber Mrs. Juarez, wie sie hieß, konnte mir nichts Interessantes mehr berichten. Schließlich verabschiedete ich mich von ihr.
Als ich an meinem Motorrad stand, sah ich prüfend in den Himmel. Dicke Wolken waren aufgezogen, es roch nach Regen und Gewitter.
Wenn ich noch ein paar Spuren im Wald finden wollte, musste ich mich beeilen.
Ich fuhr zu dem Punkt, an dem gestern Paul Soderman das Zeitliche gesegnet hatte. Doch ein Polizeiwagen versperrte mir die Zufahrt. Offensichtlich wurde die Umgebung noch nach Spuren durchkämmt. Da ich nicht wollte, dass sie mich im Gehölz aufstöberten, fuhr ich zurück und bog ein paar Meilen in nördlicher Richtung in den nächsten Waldweg ab. Dort stellte ich das Motorrad unter einem Baum ab und begann, einfach loszulaufen.
Um ehrlich zu sein, war es verrückt, einfach so aufs Geratewohl in den Wald zu stiefeln. Dafür war der Forst einfach zu riesig, aber irgendwo musste ich anfangen. Und Paul war aus nördlicher Richtung auf mich zugekommen.
Der Pfad, den ich gewählt hatte, war nicht sehr breit. Zu beiden Seiten wucherten Gras und Farn auf den Weg und erschwerten das Fortkommen. Hin und wieder passierte ich einen Brombeerstrauch voller Früchte. Doch ich blieb nicht
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