Am Ende der Angst
sofort auf.
Ich warf mich auf das Bett, das muffig roch, und runzelte die Stirn. Der Jäger, dem man nichts nachweisen konnte, außer dass er mal mit der Nutte gesprochen hatte, war noch in Haft, aber der Mann, der die Löwen mit einer ermordeten Frau fütterte – und in meinen Augen viel verdächtiger schien –, kam frei?
Irgendetwas stimmte nicht.
Mir fiel die Visitenkarte ein, die ich aus Sodermans Haus mitgenommen hatte.
Ich stand auf und nahm sie aus meiner Jackentasche. Morgen würde ich den Anwalt anrufen, doch zuerst musste ich etwas ruhen.
Nur eine Minute später war ich eingeschlafen.
***
Die Stimme des Anwalts klang reserviert. Ich hatte vorher eine Mini-Recherche am Hotelcomputer zu Dr. Jason Lewis angestellt und war fast vom Hocker gefallen. Der Mann arbeitete für eine der einflussreichsten Kanzleien in Harrington: »Groener, Groener, Weinstein, Lewis und Righetti«. Wenn es sich Soderman leisten konnte, dessen Dienste tatsächlich in Anspruch zu nehmen, dann musste ich meinen Hut ziehen.
»Ich kann Ihnen natürlich keine Auskunft über einen Mandanten geben«, sagte Dr. Lewis allerdings. Das war mir klar.
»War er überhaupt ein Mandant von Ihnen?«
»Auch das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Auch nicht, wenn es helfen würde, seinen Mord aufzuklären?«
»Nein, auch dann nicht.«
Er fragte nicht nach, woher ich wusste, dass Paul Soderman ermordet worden war. Wusste er es bereits oder interessierte es ihn so wenig?
»Haben Sie ihm bei seiner Verhaftung neulich zur Seite gestanden und ihn rausgeboxt?«
»Dazu muss ich Ihnen keine Auskunft geben.«
»Das kann ich jederzeit bei der Polizei erfragen, es ist kein Geheimnis.«
»Wollen Sie sonst noch etwas von mir wissen?« Er klang kühler als antarktisches Eis.
»Ja. Haben Sie Paul Soderman auf dem Gewissen?«
Er antwortete nicht, sondern legte einfach auf.
Ich hatte Letzteres gesagt, weil mir der Typ mit seiner eisigen Art tierisch auf die Nerven ging. Und weil ich wegen des Lärms vom Busbahnhof schlecht geschlafen hatte. Und weil ich auf einmal Fiona vermisste. Aber es war der falsche Schachzug gewesen. Falls ich einmal die Hilfe eines Anwalts benötigte, brauchte ich bei ihm mit Sicherheit nicht vorzusprechen. Er würde mir die Tür weisen.
Ich wählte als nächstes die Nummer meines Chefs, bei dem ich mich bis auf Weiteres krank meldete. Dann verließ ich das winzige Hotelzimmer. Wenn mir der Anwalt keine Auskunft geben konnte oder wollte, dann wussten vielleicht andere mehr über Paul Sodermans rechtliche Angelegenheiten.
Richard Adams hatte den Job seines Chefs übernommen. Der ehemalige Assistent von Soderman hatte damit zwar ein Motiv für den Mord, aber ich sortierte ihn von vornherein aus. Ich glaubte nicht, dass der Tod des Zoowärters im Zusammenhang mit Karrierestreitigkeiten stand. Es musste etwas anderes dahinterstecken.
»Ich weiß nichts von einer Klage oder Rechtsstreitigkeiten«, sagte Rick. »Ich weiß überhaupt nichts Persönliches von ihm. Er war Alkoholiker, ja, und verwitwet, aber das war's auch schon.«
»Hat er mal einen Anwalt erwähnt?«
»Er hat ständig irgendwelche Anwälte und Richter erwähnt, aber ich denke, er kannte sie nur aus der Zeitung. Er gab gerne an, ich habe das nie ernst genommen.«
Soderman war in einen Mercedes gestiegen. Vielleicht hatte er doch nicht angegeben.
»In welchem Zusammenhang nannte er sie?«
»Ach nur so. ›Richter Blabla fliegt dieses Jahr auf die Bahamas, da möchte ich auch gern hin‹ oder ›Der ehrenwerte Politiker Dingsbums hat einen netten Witz erzählt, haha, hab ich gelacht‹. Mehr war das nicht. Aber wie schon gesagt, ich habe ihn nicht ernstgenommen.«
»Hat er je erwähnt, dass er einen von ihnen auch schon getroffen hat?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Rick fuhr sich durch sein braunes, lockiges Haar, das er locker hinter die Ohren steckte. Er war ein gut aussehender Junge mit wachen, dunklen Augen und Bronzehaut.
»Hat er erzählt, dass er verklagt wurde oder jemanden verklagen wollte? Oder war er mal im Knast?«
»Außer die letzten Tage, nein, nicht dass ich wüsste.«
Ich wusste nicht, was ich Rick noch fragen sollte.
»Wenn dir doch noch was einfällt, dann ruf mich an. Ja?« Ich reichte ihm meine Visitenkarte von der Sicherheitsfirma.
Er nahm sie an und nickte brav.
Dann verabschiedete ich mich von ihm und ging zu Steven Kennedy, dem Direktor des Zoos. Mit ihm hatte ich einen Termin machen müssen. Seine Sekretärin empfing
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