Am Ende der Welten - 16
immer möglich, vermieden, in die Nähe von Menschen zu geraten. »Beeilen wir uns«, entschied Schwester Ulicia. »Wir werden der Hauptstraße, drüben auf der anderen Seite, ein Stück weit folgen, bis wir ihnen nahe genug sind, um uns ihres derzeitigen Standorts und der von ihnen eingeschlagenen Richtung ganz sicher sein zu können.«
Sie trieben ihre Pferde zu einem leichten Galopp an und ritten schweigend die Hügel hinab, verließen diese und gelangten schließlich in die Außenbezirke der Stadt. Diese war ganz offensichtlich um die mäandernde Biegung eines Flusses und den Knotenpunkt mehrerer größerer Straßen herum errichtet worden, die vermutlich Handelsrouten waren. Die größere der beiden Balkenbrücken hatte man niedergebrannt. Als sie im Gänsemarsch die schmale zweite Brücke überquerten, fiel Kahlans Blick hinunter in die Fluten. Aufgedunsene, mit dem Gesicht nach unten treibende Körper hatten sich im Uferschilf verfangen. Noch bevor sie sie überhaupt gesehen hatte, war die Luft bereits von einem derart durchdringenden Todesgestank erfüllt gewesen, dass ihr jegliches Interesse an einem kurzen Bad vergangen war. Sie wollte nichts als fort von diesem Ort.
Als sie die ersten Gebäude passiert hatten, hielt Kahlan sich einen Schal vor Nase und Mund. Sie glaubte, sich wegen des fauligen Gestanks verwesenden Fleisches übergeben zu müssen. Es schien merkwürdig, dass er so durchdringend war. Kurz darauf fand sie den Grund dafür heraus. Sie passierten Nebenstraßen, in denen sich die Körper zu Hunderten stapelten. Dazwischen lagen ein paar tote Hunde sowie einige Maultiere, deren Beine gerade und steif emporragten. Die Art, wie die Leichen zusammengepfercht in den engen Gassen lagen, schien Kahlan ein Anzeichen dafür zu sein, dass man die Menschen, um ein Entrinnen unmöglich zu machen, auf engstem Raum zusammengetrieben und anschließend abgeschlachtet hatte. Die meisten toten Körper, von Mensch als auch Tier, waren von grässlichen, klaffenden Wunden entstellt. Aus einigen der Toten ragten noch abgebrochene Lanzen heraus, während andere offenbar mit Pfeilen getötet worden waren. Die meisten schienen jedoch einfach totgehackt worden zu sein. Und noch etwas fiel ihr an ihnen auf: Es waren ausnahmslos ältere Menschen.
Die Gebäude in diesem Teil der Stadt waren größtenteils niedergebrannt worden, nur an wenigen Stellen stieg noch sich kräuselnder Rauch über einigen der größeren Trümmerhaufen auf. Das schwarz verkohlte Gebälk erinnerte an die versengten Skelette irgendwelcher Ungeheuer. Die Brände schienen vor ein oder zwei Tagen erloschen zu sein.
Im Schritttempo lenkten sie ihre Pferde eine schmale gepflasterte Straße zwischen zweistöckigen, düster zu beiden Seiten aufragenden Gebäuden entlang und sahen sich in stummer Würdigung der Zerstörung um. Was von den Gebäuden noch stand, war geplündert worden. Türen waren entweder eingedrückt worden oder lagen nahebei auf der Straße. Kahlan sah nicht ein einziges unzerbrochenes Fenster. Über ein paar der winzigen, zur Straße hinausgehenden Baikonen hingen Vorhänge drapiert. Neben den hölzernen Trümmerteilen der Türrahmen und den Glassplittern waren die Straßen mit ganz alltäglichen Gegenständen übersät: beliebige Kleidungsstücke, dort ein blutverschmierter Stiefel, da Trümmer zerbrochenen Mobiliars, abgebrochene Waffen, zersplitterte Wagenteile. Kahlan sah eine Puppe mit gelbem Garn als Haar platt gedrückt mit dem Gesicht nach unten liegen, auf dem Rücken einen Hufabdruck. Sämtliche Gegenstände vermittelten den Anschein, als seien sie von vielen Händen aufgelesen, für wertlos befunden und anschließend wieder fortgeworfen worden. Doch erst ein tapferer Blick in die Gebäude, die sie passierten, offenbarte Kahlan das eigentliche Grauen, und das bestand nicht bloß in den Leichen der ermordeten Stadtbewohner. Es gab Leichen von Menschen, die offenbar einfach so, nur zum Spaß oder aus purer Brutalität, hingemetzelt worden waren. Anders als die Leichen, die sich in den Seitenstraßen stapelten, waren dies keine älteren Menschen. Dem Aussehen nach könnten es Leute gewesen sein, die versucht hatten, ihre Geschäfte oder Heime zu schützen. Durch ein zersplittertes Schaufenster sah sie einen Mann, bekleidet mit jener Art Schürze, wie Flickschuster sie trugen, den man an seinen Handgelenken an die Wand genagelt hatte. Mitten aus seiner Brust ragten Dutzende Pfeile, was ihm das Aussehen eines grotesken Nadelkis
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