Am Ende der Wildnis
die Alexander Mackenzie vor fast zweihundert Jahren kennenlernte. Sie waren dunkel, dicht, augenscheinlich endlos und belebt von Furcht erregenden Kreaturen. Weil der größte Teil der Küste von British Columbia nicht über Straßen zugänglich ist, blieb diese Region als eine der wildesten in Nordamerika erhalten. Mit Ausnahme eines gelegentlichen Jägers oder Prospektors waren Gutachter und Waldvermes ser oft die ersten Europäer, die ihren Fuß in diese Respekt einflößenden Wälder setzten. Die meisten derjenigen, die später kamen, blieben nicht lange, denn trotz des Überflusses an Rohstoffen gab es nur sehr wenige Möglichkeiten, an einem Ort wie Gold Bridge seinen geregelten Lebensunterhalt zu verdienen; erfolgreiche Minen sind eine Seltenheit, und die meisten Holzfäller wurden von außerhalb geholt. Aber Hadwin fand eine Möglichkeit, es zu schaffen. Paul Bernier formuliert es so: »Er war der eigentlich federführende Fachmann und verantwortlich für Einschlagsgröße und Einschlagsintensität« in einem riesig großen Streifen des umliegenden Waldes. Sein Arbeitgeber war Evans Wood Products, ein Holzunternehmen mittlerer Größe aus dem hundert Kilometer entfernten Lillooet. Man gab ihm einen Titel – Layout Superintendent – und einen Firmentruck. Für einen Wegeplaner war das ein Sahnejob und eine der wenigen Gelegenheitsbeschäftigungen, die einem so leidenschaftlich unabhängigen Mann wie Hadwin behagen konnten.
Es gelang ihm auch, eine Frau zu finden, die ihn zu ertragen bereit war. 1978 heiratete Hadwin eine christlich-fundamentalistische Krankenschwester aus Lillooet. Margaret veränderte sein Leben. Er hörte von einem Tag zum anderen auf, zu trinken und Kautabak zu kauen, und diese Leistung zeugte angesichts seiner sklavischen Sucht nach beiden Drogen von unglaublicher Willenskraft. Noch erstaunlicher ist, dass er niemals rückfällig wurde. Margaret war still, zurückhaltend und sesshaft; sie und Grant bekamen drei Kinder, und sie erwies sich als hingebungsvolle Mutter. Das nächste Jahrzehnt sollte zur glücklichsten und ausgeglichensten Zeit werden, die Hadwin je erlebt hatte. Um seiner jungen Familie ein Heim zu bieten, errichtete er den imposantesten Bau in Gold Bridge. Er war drei Stockwerke hoch und vollständig aus handbehauenen Stämmen gebaut. Hadwin konstruierte das Gebäude aus Holzmaterial, das geschlagen, gesägt und von ihm persönlich oder von Leuten unter seiner Regie in der Umgebung zusammengesucht worden war. Der Deckstein auf dem übergroßen Schornstein aus Flussgestein ist eine matratzenförmige Granitplatte, die mehr als fünf Tonnen wiegt; die Vordertreppe ist ebenfalls von massiver Schönheit: herausgemeißelt aus einem einzigen schräg gestellten Stamm, dessen Maserung wie ein Wasserfall über die einzelnen Stufen fließt.
Mit zweiunddreißig wohnte Grant Hadwin mit Frau und Kindern in einem wunderschönen Heim und ging der Arbeit, die er liebte, in einer Landschaft nach, mit der er bestens vertraut war. Er hatte sich nicht nur auf den rechten Weg gebracht, es war ihm auch gelungen, etwas zustande zu bringen, das nach einem beneidenswert erfüllten und harmonischen Leben aussah.
KAPITEL VIER
Das Volk
Die Insel bestand aus nichts als Salzwasser, so sagt man. Der Rabe flog umher. Er suchte nach einem Platz zum Landen auf dem Wasser. Schließlich flog er zu einem Riff …, um darauf zu ruhen. Doch die große Masse übernatürlicher Wesen hatte die Hälse aneinan der geschmiegt wie Seegurken. Und die schwachen übernatürlichen Wesen drifteten schlafend auseinander, in alle Richtungen, hierhin und dorthin. Es war hell und gleichzeitig dunkel, so sagt man.
aus Raven Who Kept Walking ,
einer Schöpfungsgeschichte der Haida
S iebenhundert Kilometer nordwestlich von Gold Bridge schmiegt sich am oberen Ende von Graham Island das Haida-Dorf Old Masset am Ostufer des Masset Sound an den Strand. Der Sound ist eine breite natürliche Wasserstraße, die sich durch dichten Wald und Sumpfgebiete schlängelt, dabei die Insel nahezu in zwei Hälften teilt und den Yakoun River mit dem Meer verbindet. Mächtige, unbeirrte Tiden drücken und saugen sich durch den serpentinenartigen Verlauf und sind auch weit stromaufwärts am Standort der goldenen Fichte noch spürbar, mehr als fünfzig Kilometer Richtung Süden. Direkt hinter dem Friedhof von Old Masset windet sich dieser in beide Richtungen fließende brackige Wasserlauf noch um eine Sandbank und stößt erst dann auf die breite
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