Am Ende der Wildnis
verzeichnet war. Wenn er davon ausging, auf Wild zu treffen, nahm er neben seinem Kompass, dem Höhenmesser und dem Notizblock auch ein Gewehr mit. Sein Vertrauen in die Wälder war uneingeschränkt, was zum Ergebnis hatte, dass er völlig entspannt Dinge tat, die anderen Menschen selbstmörderisch vorkamen. Paul Bernier war bei ihm, als ihnen auf einem Felsrutsch oberhalb des Lone Goat Creek, ungefähr fünfzehn Kilometer südlich der Stadt, zwei Grizzlybären begegneten. Statt sie ganz ruhig zu beobachten, klatschte Hadwin in die Hände und stieß laute Rufe aus, um ihre Auf merksamkeit zu erregen.
Grizzlys sind erstaunlich schnell, und wenn sie provoziert werden, steuern sie mit Furcht erregender Unausweichlichkeit auf ihr Opfer zu wie eine pelzige und mit Klauen bewehrte Dampflok. Lewis und Clarke haben Begegnungen mit diesen Bären beschrieben, bei denen ihnen nichts anders übrig blieb, als sie zu erschießen, um nicht von ihnen angegriffen zu werden. Ein Tier wurde von zehn Musketenkugeln getroffen, bevor es zusammenbrach. Weder Hadwin noch Bernier waren bewaffnet, und ihnen blieben nur Sekunden, um zu entscheiden, was sie tun sollten, bevor die Bären bei ihnen waren, um sie zu zerfleischen. Als Bernier ihm dicht auf den Fersen war und die Bären sich immer schneller näherten, prüfte Hadwin die Windrichtung, sprang über einen Bach und wich in den Rückenwind aus, sodass die kurzsichtigen Tiere sie nicht wittern konnten.
Bei anderer Gelegenheit machte sich Hadwin im Spätherbst zu einem spontanen Jagdausflug in die Berge auf. Obwohl es bereits geschneit hatte, trug er nur eine Jeansjacke und hatte nichts dabei als eine halb leere Literflasche Wodka und ein Mannlicher-Gewehr mit offener Visierung. Zwei Tage später kehrte er mit einer Bergziege über den Schultern zurück. Sich an Bergziegen heranzupirschen ist viel schwieriger als an, sagen wir mal, Rehe oder Wapitis. Eine dieser Ziegen mit offener Visierung (also ohne Zielfernrohr) zu treffen, ist auch unter günstigsten Umständen eine beeindruckende Leistung, aber ein Treffer garantiert noch lange nicht, dass die Beute auch tot ist. Hadwin, angetrunken und dazu kurzsichtig, vermochte die Fährte des neunzig Kilo schweren Tieres zu verfolgen und es zu töten, allein und unter winterlichen Bedingungen.
Nicht nur konsumierte Hadwin unglaubliche Mengen von Kautabak (jeweils eine halbe Dose auf einmal, manchmal mit Rum getränkt), er war auch bekannt dafür, dass er seinen Whiskey kistenweise kaufte und auch bei Minustemperaturen auf spektakuläre Sauftouren ging, die damit endeten, dass er besinnungslos hinten in seinem Studebaker-Pick-up lag oder nur in Hose und Hemdsärmeln in einem zugeschneiten Straßengraben einschlief. In der Gegend spottete man: »Sieh mal, die Schneewehe bewegt sich. Muss Grant sein.« Morgens raffte er sich auf, schüt telte sich und torkelte nach Hause. Es ist unklar, wieso er diese Touren überlebte (Alkohol hilft nämlich nicht, einen Menschen warm zu halten, sondern erweitert nur die oberflächennahen Blutgefäße, sodass man die Kälte nicht so deutlich spürt). Frühe Fotos zeigen einen schlanken, feingliedrigen Mann, knapp eins achtzig groß, mit hohen Backenknochen, eingefallenen Wangen und stechend blauen Augen; sein dichtes braunes Haar trägt er seitlich gescheitelt. Auch später im Leben wies er immer noch die ausgeprägt konturierte Muskulatur eines Mannes auf, der mit hohem Tempo große Entfernungen bewältigt, wie ein Geländeläufer oder ein Kurier in früheren Zeiten.
Manche, die Hadwin zu seinen Gold-Bridge-Zeiten kannten, verglichen seine hagere Gestalt, den scharfen Blick und das unnahbare Auftreten mit James Dean und Clint Eastwood. Es gab Frauen, die ihn bewunderten, gewöhnlich aber nur aus der Ferne. So gefasst und höflich Hadwin im Allgemeinen war, besaß er doch eine beinahe überwältigende Intensität und vertrat seine Überzeugungen so schonungslos und lautstark, dass manche Menschen zurückschreckten. »Er musste immer der Beste sein, immer der Erste«, erinnerte sich Aunt Barbara. »Es musste immer alles nach Grants Nase gehen. Raum für Kompromisse gab es nicht.«
Und doch liegt dem Geschäft mit dem Holz ein Kompromiss – einer der hässlichen, elementaren Art – zugrunde, besonders aus der Sicht eines Mannes wie Hadwin, dessen Lebenselixier die unangetastete Natur ist. Die Wälder, die er und seine Kollegen während der 1960er- und 1970er-Jahre in British Columbia erlebten, waren dieselben,
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