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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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Kluft zwischen Graham und Prince of Wales Island, ein tückisches Gewässer mit Namen Dixon Entrance. Zum Pazifik weit offen, ist sie eines der diversen Einfallstore, durch die Stürme in die geplagte Hecate Strait einfallen. Selbst an den ruhigsten Tagen rollt die See in breiten Wellenbuckeln vorüber, die an Walrücken gemahnen und Erinnerungen an Stürme aufkommen lassen, die einst über Hokkaido, Kamtschatka oder die Aleuten herfielen.
    Am Strand von Old Masset sieht man die monumentalen Totempfähle – kunstvoll aus Baumstämmen geschnitzte Skulpturen – Wache halten. Viele wurden aufgestellt, die Toten zu ehren, doch am nördlichen Ende des Dorfes steht vor dem Haus eines angesehenen Häuptlings ein Totem mit ganz anderem Zweck. Der Häuptling selbst ist ein meisterhafter Bildhauer, sein Haus eine beeindruckende Konstruktion aus breiten Cedar-Holzplanken und schwerem, leicht geneigtem Gebälk. Es steht abseits von den anderen Häusern, die in ordentlichen Reihen gebaut wurden und sich streng nach dem Verlauf der Küste richten. Die meisten Häuser und alle Totempfähle sind zum Masset Sound ausgerichtet, dieser Pfahl und seine furchterregenden Krea turen blicken jedoch aufs offene Meer. Der Totem ist etwa zwölf Meter hoch und erreicht am Fuß einen Durchmesser von mehr als einem Meter. Sein unterer Bereich ist in Form eines gewaltigen Grizzlybären geschnitzt, dessen Vorderpranken einen Einbaum halten. Um eine Vorstellung von den hier vorherrschenden Wetterverhältnissen zu erhalten, genügt ein Blick in dieses Kanu; obwohl es sich drei Meter über dem Boden befindet, muss es regelmäßig von herbeigewehtem Sand und Seetang befreit werden. Weiter oben sind noch andere Tiere zu erkennen, ganz oben ein Adler – Hinweis auf die Abstammung des Häuptlings –, doch was das Auge fesselt, sind der Bär und das von ihm achtsam gehaltene Kanu. Der Betrachter braucht eine Weile, bis ihm das seltsam Vertraute daran bewusst wird.
    A uf der gegenüberliegenden Seite des Kontinents steht in einem anderen Fischerstädtchen die Statue einer Frau namens Mary, die mit ihren Händen ebenfalls ein Boot hält. Weder über den Bären in Old Masset noch über die Frau in Gloucester, Massachusetts, lässt sich mit Sicherheit sagen, ob ihr Geist diese Seefahrzeuge tatsächlich beschützt oder im Begriff ist, sie zu opfern. In jedem Fall knieten die Fischer von Gloucester und ihre Familien seit Generationen vor Our Lady of Good Voyage nieder und beteten für die Sicherheit ihrer Schiffe, ihrer Nächsten und ihrer selbst. Und an einem milden Nachmittag im März 2003 findet im Paralleluniversum in Old Masset am Totempfahl des Häuptlings ein ganz ähnliches Ritual statt. Wer an jenem Tag dabei gewesen wäre und, allein auf die verbleibenden Sinne vertrauend, die Augen geschlossen hätte, dem wäre die Zeit entglitten und er hätte nach vergangenen Jahrhunderten gegriffen.
    In einer Feuerstelle ganz in der Nähe brennt Treibholz, und auf einem Holzbrett sind sorgfältig gewürzte Scheiben von Lachs und Heilbutt über dem Feuer ausgelegt. Doch keine der um das Feuer stehenden und tanzenden Personen hegt den Gedanken, das derbe Mahl zu essen; diese Delikatessen sind nicht für sie gedacht. Der Rauch des verbrennenden Fischs wandert im unsteten Wind wie eine defekte Kompassnadel von Quartier zu Quartier und lässt seine Essenzen spiralenförmig in den von Wolken durchzogenen Himmel steigen, um Skilay zu nähren. Skilay war der Sprecher der goldenen Fichte und ist nun tot. Heute sind die Leute zu Hunderten zusammengekommen, um die dunkle Lücke zu füllen, die er hinterlassen hat.
    Im Jahr 1859 reiste William Downie, ein erfolgreicher amerikanischer Goldsucher, nach Britisch Kolumbien, wo er zum einen als Prospektor arbeitete und zum anderen dem britischen Kolonialgouverneur als Erkunder diente. Auf seinen Reisen besuchte Downie die Queen Charlottes, wo es einige große Goldfunde gegeben hatte, unter anderen ein einzelnes Nugget von sechshundert Gramm. In seinem Bericht an den Gouverneur schrieb Downie, die Haida »sind erstklassige Goldsucher und wissen alles über die Goldgräberei«. Noch stärker hatten ihn jedoch ihre Seefahrerkünste beeindruckt: »Sie sind die besten Bootsführer, die ich je kennengelernt habe, und ich spreche hier von beiden Geschlechtern. Sie sind von wahrhaft amphibischer Natur, anscheinend im Wasser ebenso zu Hause wie an Land, und ihre Fähigkeiten das Tauchen und Schwimmen betreffend müssten ihresgleichen

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