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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Wallace dann über die faunistischen Beziehungen nachdenkt, wird ihm klar, dass Earl hier eine geniale Idee hatte, vielleicht ohne dass es ihm selbst bewusst war. Denn tatsächlich steht die Meerestiefe bestimmter Regionen des Archipels mit dem Vorkommen und der Ausbreitung einzelner Tierarten in einer verblüffenden Beziehung. Doch während Earl noch annahm, dass es eine frühere Verbindung zwischen Australien mit Asien gab, dreht Wallace die Sache um. Er erkennt, dass just dort, wo seine Faunenscheide verläuft, ein Tiefseegraben den westlichen Schelf begrenzt. Dieser asiatische Festlandssockel schließt Bali und Borneo ein. Zwar wissen weder Wallace noch andere seiner Zeit, wie tief genau dieser Isthmus zu Lombok und Celebes hinüber ist; doch ohne Zweifel ist es kein Zufall, dass der hier in unbestimmte Tiefen abfallende Rand einer Flachmeerregion ausgerechnet parallel der Faunengrenze verläuft.
    Wallace denkt noch einen Schritt weiter. Zu seiner Zeit weiß man bereits von vergangenen Erdepochen, in denen es wesentlich mehr Eis und Gletscher gab, die von den Polen ausstrahlend viel mehr Land bedeckten. Weil während solcher periodisch auftretenden Eiszeiten viel mehr Wasser gebunden war, sank der Meeresspiegel überall auf der Welt. Wallace vermutet nun, dass der zwischen den Inseln verlaufende Tiefseegraben jenseits von Bali und Borneo derart tief gewesen sei, dass er selbst bei den gewaltigen Meeresspiegelschwankungen nicht trocken gefallen sein dürfte. In hellsichtiger Weise destilliert Wallace aus den wenngleich noch spärlichen Erkenntnissen der Geologen und Geographen die richtige Erklärung für die Biogeographie und Entwicklung der Arten. Lauftiere und schwache Flieger konnten während der Zeiten mit niedrigem Meeresspiegel zwar über die flache und trocken gefallene Java-See die heutigen Inseln wie Sumatra, Java und Borneo erreichen und von dort später auch auf die Vulkaninsel Bali gelangen. Doch hier kamen dann Tiere wie Tiger, Tapir, Nashorn und andere nicht weiter. Denn Lombok und Celebes waren nicht in dieser Weise durch landfeste Brücken mit dem asiatischen Kontinent verbunden. Ganz ähnlich erging es den australischen Arten im Osten des Archipels. Der steigende Meeresspiegel hat sie dort auf den zahllosen Inseln im Laufe der Zeit und in einer höchst zufälligen Weise isoliert. So machte es die Geographie des Archipels den Arten schwer, durch Laufen oder Schwimmen, Flattern oder Fliegen festen Boden zu erreichen. Aus einstmals gemeinsamen Abstammungslinien entstanden in der Isolation neue Varietäten und eigenständige Arten. Denn nur die besten Schwimmer konnten überhaupt isolierte Inseln erreichen oder Fledermäuse und Schmetterlinge, die der Wind dorthin bläst. Reptilien und Insekten dagegen gelangen oft zufällig per Pflanzenfloß selbst auf abgelegene Inseln, etwa wenn Bäume in einen Fluss stürzen und ins Meer geschwemmt werden und so per Strömung zur nächsten Insel verfrachtet werden.
    Auf diese Weise, so erkennt Wallace richtig, wirkt die Inselwelt des indo-australischen Archipels wie ein faunistischer Filter. »Das ergibt sich in einer noch schlagenderen Weise, wenn wir die Zahl der Arten aufzählen, welche mit denen von Java und Australien auf jeder Seite identisch sind«, schreibt er und listet dazu für die Vögel jeweils deren Anzahl auf. Demnach werden es immer weniger asiatische Arten, je weiter östlich man geht: 33 Arten auf Lombok, 23 auf Flores, 11 auf Timor. Dagegen sind es bei den australischen Vögeln 11 Arten auf Timor, 5 auf Flores und nur noch 4 auf Lombok. Später werden andere Forscher an anderen Tieren, etwa an Reptilien, dasselbe Muster bestätigen und finden, dass die Zahl asiatischer Formen stets gen Osten abnimmt, die australischer dagegen gen Westen. Auf diese Weise halten sich beide Faunengebiete in etwa die Balance. Mittendrin in diesem Zwischengebiet der Wallacea leben die Tiere von Celebes.
    Gut ein Jahrhundert vor der Theorie wandernder Kontinentalplatten und Ozeanböden erwägt Wallace höchst komplizierte und komplexe Vorgänge, die im Untergrund des asiatischen und australischen Festlands und der dazwischenliegenden Meeresgebiete ablaufen. Tatsächlich gehören zu den daran beteiligten geologischen Kräften und tektonischen Aktivitäten vor allem auch jene zahllosen Vulkanausbrüche und Erdbeben, deren Zeuge Wallace bei seinen Reisen durch den Archipel gelegentlich wird (in Lombok vermutet er Letztere einmal sogar als Ursache von Tsunamis). Doch in

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