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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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gehen die Briefe und leichteren Päckchen über Paris nach Rotterdam. Am 2. Juni erreicht die Post England; am nächsten Tag, den 3. Juni 1858, geht sie nach London. Nach gut zehn Wochen Reise von der Gewürzinsel Ternate kommt Wallace’ Brief endlich in Down House in der Grafschaft Kent bei Darwin an. Was dort geschieht, ist großes Drama.

Premiere ohne Hauptdarsteller
    (Juni 1858 – April 1862)
    Bereits von Bord aus sieht er »mit großem Interesse auf die zerrissenen Berge, welche sich in aufeinanderfolgenden Zügen ins Innere erstreckten, wohinein der Fuß eines zivilisierten Menschen noch nie gesetzt. Es war das Land des Kasuars und des Baumkängurus, und jene dunklen Wälder bargen die außergewöhnlichsten und schönsten der gefiederten Bewohner der Erde – die mannigfaltigen Arten des Paradiesvogels. Noch ein paar Tage weiter und ich hoffte, diese und die kaum weniger schönen Insekten, welche mit ihnen zusammen vorkommen, jagen zu können.« Wallace kann es kaum erwarten. Kurz vor dem Ziel müssen sie jedoch mit widrigen Winden kämpfen, die sie zwingen, lange hin und her zu kreuzen; bis der Wind endlich dreht und die »Hester Helena« mit einer westlichen Brise dicht unter die Küste bringt.
    » Der Hafen von Dorey liegt in einer schönen Bucht, an deren einem Ende ein hoher Punkt hervorragt, und bietet mit seinen zwei oder drei kleinen Inseln einen geschützten Ankerplatz.« Dorey, an der Nordwestküste von Neuguinea gelegen, ist Terra incognita ganz am äußersten Ende des Archipels, ja beinahe der bekannten Welt; ein Sehnsuchtsort für einen Naturalienjäger wie Wallace. Hier will er in die Fußstapfen des französischen Naturforschers René Lesson treten, der während der Weltumsegelung auf der Korvette »La Coquille« 1829 erstmals Paradiesvögel von dieser Küste mitbrachte und wissenschaftlich beschrieb.
    Doch es läuft nicht so, wie es sich Wallace vorgestellt hat; ganz und gar nicht. Statt unberührter Natur und Naturvölker findet Wallace in Dorey zwei deutsche Missionare vor. (Es sind Carl Wilhelm Ottow und Johann Gottlob Geissler, deren als Begründer des Christentums auf Neuguinea noch heute gedacht wird.) Sie haben sich seit etwa drei Jahren auf der Dorey vorgelagerten Insel Mansinam niedergelassen, wo sie unter einfachsten Bedingungen mehr schlecht als recht (über-)leben. Ohne Unterstützung ihrer Mission müssen sie vom Handel leben und halten sich mithin, so führt Wallace später aus, kaum selbst an das, was ihr Gott ihnen predigt. Die beiden unterstützen Wallace, als der zum Festland übersetzt, um dort ungestört sammeln zu können. Doch Wallace hat einige Mühe, die einheimischen Papuas zu überreden, ihm beim Bau einer Hütte zu helfen. Er, der sonst offen und aufgeschlossen den Menschen gegenüber ist, die er bei seinen Reisen antrifft, ist wenig angetan von den Bewohnern Neuguineas, mit denen die Unterhaltung höchst mühsam ist, da von seiner kleinen Truppe keiner ihre Sprache spricht, sie wiederum Malaisch nicht verstehen. »Sie wohnen in den miserabelsten, gebrechlichsten und schmutzigsten Schuppen, welche zudem bar all dessen sind, was Einrichtung genannt werden könnte.« Er schildert das zerfallene Aussehen ihrer Behausungen, unter deren Dachtraufen vielfach menschliche Schädel hängen, »Trophäen ihrer Kämpfe mit den wilden Arfaks im Inneren der Insel, welche sie oft angreifen«, so Wallace.
    »Man scheint keine Bürste zu kennen und die Kleider, welche sie tragen, sind oft schmutzige Rinde, Lumpen oder Sackleinwand. Auf den Wegen, auf denen sie täglich zu ihren Pflanzungen gehen, scheint nicht ein überhängender Zweig oder ein hervorstehender Dornenstrauch abgeschnitten zu werden, sodass man sich durch eine üppig wachsende Vegetation winden, unter gestürzten Bäumen und stacheligen Schlingpflanzen kriechen und durch Lachen von Schmutz und Kot waten muss, welche nicht trocknen können, weil die Sonne nicht durchdringt. Besonders die Kinder sehen oft miserabel aus und sind am ganzen Körper von Ausschlag und Wunden verunstaltet. Wenn das keine Wilden sind, wo soll man welche finden?« Von ihrer Schnitzkunst, mit der sie die Pfähle und Latten ihrer Hütten verzieren (und die nach ihm das Interesse der Ethnologen nicht verlieren werden), ist Wallace indes beeindruckt. Jeder der größeren Pfähle einer Hütte stellt »eine nackte männliche und weibliche Figur dar, und anderes, noch überwältigenderes Schnitzwerk steht auf der Plattform vor dem

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