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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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sind. Und auf diesem Weg bekommt Wallace schließlich doch noch ein paar Tiere.
    Endlich kommt die »Hester Helena« und ohne großes Bedauern verlässt Wallace am 29. Juli 1858 Neuguinea, entnervt vom ständigen Regen, von schlechtem Essen und Krankheiten, unter denen sie alle leiden; einer seiner Männer stirbt sogar. Wallace hat genug von den Heerscharen der allgegenwärtigen Ameisen, die über seinen Tisch ausschwärmen, auf dem er Insekten nadelt und Schmetterlinge zum Trocknen aufspannt, und die direkt vor seiner Nase unbeirrbar versuchen, diese Teile seiner Sammlung zur Beute zu machen. Er hat genug von lästigen Stechmücken, penetranten Parasiten und jenen blauen Schmeißfliegen, die sich in Schwärmen auf seinen Vogelbälgen festsetzen und Massen ihrer Eier in das Gefieder der Tiere legen. Diese wimmeln dann Tage später von Maden, die seine wertvollen Objekte zerstören, wenn er nicht ständig auf der Hut ist. Wallace hat eindeutig genug von Neuguinea und hofft auf eine schnelle Heimreise nach Ternate. »Anstatt dieser aber hatten wir Windstillen und westliche Brisen und es dauerte siebzehn Tage, bis wir Ternate erreichten, eine Entfernung von nur fünfhundert Meilen, welche mit mäßigem Winde in fünf Tagen erreicht sein konnte. Es war mir ein großer Genuss, mich wieder in meinem bequemen Hause zu finden und meinen Tee und Kaffee mit Milch verzehren und an frischem Brot und Butter, Geflügel und Fisch zum täglichen Mittagbrot mich erfreuen zu können«, schwärmt Wallace noch viele Jahre später. »Diese Neuguinea-Reise hatte uns alle stark mitgenommen und ich beschloss, vor der Unternehmung einer neuen Expedition zu rasten und mich zu erholen.«
    Erholen muss sich zu dieser Zeit, viele Tausend Kilometer entfernt, auch Charles Darwin von Anstrengungen ganz anderer Art.
    Das delikate Arrangement – London, 1. Juli 1858: Darwin bereut bitter, dass er dem Rat Lyells nicht eher gefolgt ist. In einem zweiten Brief am 25. Juni 1858 erklärt er ihm, wie ungeheuer froh er nun wäre, »wenn ich auf etwa einem Dutzend Seiten einen Abriss meiner allgemeinen Überlegungen veröffentlichen könnte. Aber ich bin nicht überzeugt, dass ich das mit Anstand tun kann.« Zugleich weist er Lyell jedoch auch einen Weg, wie der Freund helfen könnte, um doch noch Darwins Priorität und öffentliche Anerkennung an der Idee der natürlichen Selektion zu sichern, ohne dabei Wallace zu übergehen. »Wenn ich noch ehrlich publizieren könnte, so würde ich anmerken, dass ich durch Wallace’ Aufsatz, den er mir zugesandt hat und der meine grundsätzlichen Schlussfolgerungen enthält, jetzt dazu angeregt wurde, einen Auszug meiner eigenen Thesen zu veröffentlichen.«
    Lyell und Hooker handeln schnell und professionell, um Darwin zu retten. Beide sind (wie auch Darwin) Mitglieder der Linnean Society; Joseph Hooker ist überdies in den Vorstand dieser erstrangigen naturforschenden Gesellschaft gewählt worden, zudem gibt er ihr Journal heraus. Beide wissen, dass durch den bedauerlichen Tod von Robert Brown, einem früheren Präsidenten der Gesellschaft, eine außerordentliche Mitgliederversammlung an das Ende der Saison, auf den 1. Juli 1858, gelegt ist. Charles Lyell soll dabei den Nachruf auf Brown halten. Dank ihres Einflusses bei der Linnean Society gelingt es Hooker und Lyell, die Papiere von Darwin und Wallace in letzter Minute, am 30. Juni, noch auf die Tagesordnung zu setzen und dem Sekretär der Gesellschaft, John Joseph Bennett, zukommen zu lassen, wie es üblich ist. So kommt es zu jener höchst denkwürdigen Doppellesung der Aufsätze von Darwin und Wallace und damit der Vorstellung einer neuen Theorie, die den Beginn der modernen Evolutionsbiologie markiert.
    Das Ereignis wird allerdings immer wieder als eine angeblich gemeinsame Vorstellung beschrieben. Doch weder ist einer der beiden Urheber der neuen Theorie anwesend, noch gibt es in anderer Hinsicht etwas, das das Wort »gemeinsam« rechtfertigen könnte. Tatsächlich sind es nämlich zwei völlig voneinander unabhängige Darstellungen, ohne jeden Bezug zueinander und höchst verschieden überdies in ihrem Charakter. Vor allem Darwins Teil ist alles andere als ein in sich geschlossener, wohlformulierter Aufsatz. Vielmehr ist es ein Stückwerk fragmentarischer Abschriften, vor allem aus seinem seit 1844 unveröffentlichten Essay; ergänzt durch die Abschrift eines Briefes an einen Kollegen. In diesem Fall ist es sehr viel mehr Wahrheit als britisches

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