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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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on the Perpetuation of Varieties and Species by Natural Means of Selection« – wer immer diesen Titel formuliert hat, wollte suggerieren, dass es eine in sich geschlossene und einheitliche Publikation sei. Nur wenigen Lesern geht auf, was sich da vor ihren Augen ereignet: die erste Veröffentlichung einer der wichtigsten Beiträge zur Geistesgeschichte. Später wird Thomas Henry Huxley, ein weiterer Freund und Verehrer Darwins, gestehen, wie ungemein denkfaul man gewesen sei, nicht selbst auf diese an sich naheliegende Lösung des allgegenwärtigen Artenrätsels gekommen zu sein.
    Dagegen wird Thomas Bell, zu diesem Zeitpunkt Präsident der Linnean Society, im Jahresrückblick für 1858 bemerken, »dass es ohne eine jener herausragenden Entdeckungen vergangen ist, die eine Forschungsdisziplin unmittelbar revolutionieren«. Bell war von der Ausbildung her Zahnarzt, bevor er Professor für Zoologie wurde. Auf Darwins Wunsch hatte er die Reptilien wissenschaftlich bearbeitet, die dieser von seiner »Beagle« -Expedition mitbrachte, und war seitdem mit ihm befreundet. Doch den Biologiehistorikern wird Thomas Bell vor allem deshalb in Erinnerung bleiben, weil er sich mit dieser Einschätzung nachweislich selbst zum wohl größten Ignoranten des Darwinschen Jahrhunderts stempelt. Dabei hatte Bell, wenigstens kurzfristig, durchaus recht. Denn unmittelbare Folgen zogen 1858 weder der gemeinsame Vortrag noch die Veröffentlichung der Arbeiten von Wallace und Darwin nach sich. Jedenfalls sind die Auswirkungen jenes Sommers in keiner Weise mit dem Aufsehen zu vergleichen, das Darwins Buch über »Die Entstehung der Arten« ein Jahr später verursachen wird.
    »Ich darf auf die Hilfe dieser großen Männer zählen« – Ternate, im Oktober 1858: Von dem, was sich auch in seinem Namen an jenem Abend bei der Linnean Society im fernen London zuträgt, wird Wallace als Letzter erfahren. Niemand macht sich auch nur die Mühe, ihn zuvor zu unterrichten oder gar zu fragen (was allein wegen der Laufzeiten der Post von knapp zehn Wochen, in eine Richtung, auch kaum möglich ist). Mitte August kommt er aus Neuguinea zurück, setzt im September nochmals für einige Zeit zur Nachbarinsel Gilolo über, wo er und seine Gehilfen weitersammeln. Im Oktober schickt Wallace seine Ausbeute an Stevens nach London, immerhin 7400 Stücke; alles, was er in den Monaten auf Ternate, Gilolo und Neuguinea gesammelt hat.
    Bevor er noch im selben Monat zu anderen Inseln in den Molukken aufbricht, erhält Wallace Anfang Oktober 1858 in Ternate erstmals Kenntnis von den Vorgängen in England. Joseph Hooker und Charles Darwin klären ihn in ihren Briefen vom 13. Juli 1858 über das Arrangement der gemeinsamen Vorstellung ihrer Theorie auf. Also hat Darwin etwas an seinen Überlegungen gefunden, und er hat es wie gewünscht an Lyell weitergegeben, denkt Wallace. Dann wird es sogleich öffentlich vorgestellt; wunderbar! Und noch dazu gemeinsam mit einem Aufsatz von Darwin selbst; noch besser! Wallace ist – so dürfen wir nach allem, was wir wissen, annehmen – erleichtert und glücklich. Noch dazu informiert ihn auch Stevens über einen großartigen Erfolg: Er hat Wallace’ Aru-Sammlung für 1000 Pfund verkauft, ein Vermögen, von dem Wallace noch Jahre später gut wird leben können.
    Unglücklicherweise sind ausgerechnet die Briefe von Hooker und Darwin verloren gegangen; aber das kennen wir ja schon. Wir wissen zumindest aus Wallace’ Antwort und seinen anderen Briefen, die er sofort am 6. Oktober aus Ternate schreibt, dass jenes Arrangement aber für ihn durchaus zufriedenstellend war. Wenn er irgendwelche Vorbehalte hatte oder verstimmt war, dann werden wir es nie wissen. Die Reaktion in seinem Antwortbrief etwa an Hooker ist dabei höchst nobel und professionell. »Erlauben Sie mir zuerst, Ihnen und Sir Charles Lyell aufrichtig für Ihren freundlichen Dienst in dieser Angelegenheit zu danken und Ihnen meine Befriedigung sowohl über den eingeschlagenen Kurs als auch über die positive Meinung zu meinem Aufsatz, die Sie so freundlich ausgedrückt haben, zu versichern. Ich kann mich nur als einen begünstigten Teil in dieser Angelegenheit betrachten«, schreibt Wallace. Es sei ja in solchen Fällen sehr oft geschehen, dass allein der erste Entdecker einer neuen Theorie den Ruhm bekommt und jene kaum noch oder gar nicht registriert werden, die unabhängig zu ganz ähnlichen Ansichten gelangt seien, ein paare Jahre oder nur einige Stunden später.

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