Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
für einige Monate vor allem wieder Jagd auf Paradiesvögel macht; machen lässt, um genau zu sein. Denn eines Morgens kommt sein Gehilfe Ali mit einem ganz eigenartigen Beutestück zurück.
»Ich sah einen Vogel mit einer Fülle prächtiger grüner Federn auf der Brust, die in zwei glitzernden Büscheln ausliefen; aber unverständlich waren mir ein Paar langer weißer Federn, welche aus jeder Schulter gerade heraussteckten. Ali versicherte mir, dass der Vogel sie selbst so herausstrecke, wenn er mit seinen Flügeln flattere, und dass sie so geblieben, ohne dass er sie berührt. Ich merkte nun, dass ich eine schöne Beute gemacht hatte und dass es eine vollkommen neue Form des Paradiesvogels war, die höchst auffallend von jedem anderen bekannten Vogel abwich.« Wallace beschreibt ihn seitenlang in allen Einzelheiten und hält ihn für einen der wundervollsten Vögel nicht nur dieser kleinen Insel. Er erkennt ganz richtig, dass es nicht nur eine neue Art, vielmehr eine neue Gattung sein dürfte. »Ganz anders als irgendeiner der bisher bekannten Paradiesvögel, sehr merkwürdig und sehr hübsch noch dazu«, berichtet er begeistert auch an Stevens. »Wenn ich ein paar mehr von ihnen werde erlegen können, schicke ich sie auf der Landroute, damit Sie herausfinden können, was ein neuer Paradiesvogel auf dem Markt wert ist«, schreibt Wallace und erwartet wenigstens 25 Pfund das Stück.
Es mag uns erstaunen und nachdenklich machen, was Wallace dann von Bacan schreibt, kaum dass er zuvor das Evolutionsprinzip gefunden hat und inzwischen weiß, welches Aufsehen es erregt. »Ich betrachte diesen Fund des neuen Paradiesvogels als die größte Entdeckung, die ich bislang gemacht habe.« Nun gut, es ist die einzige unter den bis dahin zwölf bekannten Paradiesvogelarten, die auf den Molukken vorkommt (sie sind ansonsten auf Neuguinea, die unmittelbar umliegenden Inseln und den äußersten Nordosten Australiens beschränkt). Der Ornithologe George Gray am Britischen Museum in London wird diesen Paradiesvogel von Bacan, der sich tatsächlich als Vertreter einer neuen Gattung herausstellt, nach seinem Entdecker Semioptera wallacei oder Wallace’ Standartenflügler benennen.
Derweil erlebt Wallace auf Bacan noch einen jener glücklichen Momente im Leben eines Insektenjägers, als er ein Exemplar des feurig orange- und samtfarbenen Ornithoptera croesus fängt. Über das prachtvolle Exemplar dieses neuen »vogelflügeligen Schmetterlings, dem Stolz der östlichen Tropen« schreibt er in seinem Reisebericht eine jener Passagen, in der die Besessenheit desjenigen zu spüren ist, der sich der Faszination der Natur nicht entziehen kann: »Die Schönheit und der Glanz dieses Insekts sind nicht zu beschreiben, und nur ein Naturforscher wird die intensive Erregung nachvollziehen können, die ich empfand, nachdem ich es endlich gefangen. Als ich den Schmetterling aus dem Netz nahm und die prachtvollen Flügel entfaltete, begann mein Herz heftig zu schlagen, das Blut stieg mir zu Kopfe und ich fühlte mich einer Ohnmacht viel näher als in all den Momenten, in denen ich in Lebensgefahr geschwebt hatte. Den Rest des Tages hatte ich Kopfschmerzen, so groß war die Aufregung über etwas, was den meisten Menschen als eine sehr unzureichende Ursache dafür erscheinen mag.«
England –
Der menschliche Geist
(1862 –1876)
Diesmal will er nicht mit leeren Händen heimkommen, sogar lebende Paradiesvögel sollen die Ankunft in England zum Triumph machen. Doch einfach ist das nicht: Letztlich retten Kakerlaken jene beiden Paradiesvögel, denen Wallace wiederum eine Erste-Klasse-Rückfahrt von Singapur verdankt. Kein Wunder, dass er alle Anstrengungen unternimmt, sie am Leben zu erhalten; wenn nötig, geht er dafür auch in einer Bäckerei in Malta auf Schabenfang.
Während der Überfahrt nach Bombay kann Wallace bei einem kurzen Aufenthalt in Galle auf Ceylon noch einmal seinen Vorrat an frischen Früchten, vor allem Bananen, für die beiden Vögel aufstocken. So halten sie bis Suez durch. Es macht Wallace einige Schwierigkeiten, die Tiere mit Insektennahrung zu versorgen. »Denn auf den ›Peninsular and Oriental Steamers‹ waren Schaben selten und nur dadurch, dass ich Fallen in den Vorratsräumen aufstellte und jeden Abend eine Stunde an dem Vorderkastell jagte, konnte ich ein paar Dutzend dieser Geschöpfe bekommen – kaum genug für eine einzige Mahlzeit.« Dann bleibt er die ganze Nacht bei ihnen im Gepäckwaggon, in dem sie die
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