Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Wüste bis Kairo durchqueren, stets darauf bedacht, das unterwegs sich langsam entwickelnde Prachtgefieder der noch jungen Tiere sauber zu halten; was keineswegs eine leichte Aufgabe ist. »Sie machen immens viel Schmutz«, notiert Wallace unterwegs. Im Mittelmeer wird es kühler und damit für die Vögel kritisch. Der mehrtägige Zwischenstopp auf Malta verschafft Wallace dann die mehr als willkommene Gelegenheit, sich mit einer ordentlichen Menge an Kakerlaken für die Paradiesvögel einzudecken. In einer Bäckerei irgendwo in der Altstadt von Malta macht er reiche Beute; die Schaben, in verschiedenen Bisquitbüchsen verpackt, sichern die Überfahrt bis Marseille. Bei jedem Halt schickt Wallace Telegramme nach London: »Beide Paradiesvögel wohlauf. Erwarte Ihre Instruktionen«. Keine Antwort, auch nicht als er mit den Tieren nach einer Nachtfahrt mit dem Zug bei strengem Frost Ende März in Paris ankommt. Wieder kabelt er an den Sekretär der Zoologischen Gesellschaft, Philip Sclater, für den die Tiere bestimmt sind. »Ankomme London Bridge, den folgenden Mittag. Bringen Sie Schaben«.
Am 1. April 1862 ist Wallace zurück in England; die beiden Paradiesvögel leben und werden zur großen Attraktion. Bisher ist es überhaupt nur ein einziges Mal gelungen, einen lebenden Paradiesvogel nach England zu bringen; er starb vor vierzig Jahren in Windsor. Wallace hat offenbar ein glückliches Händchen für die Tiere – und das Talent für ein besonderes Geschäft.
Einst hatte er es mithilfe von Sir Roderick Murchison irgendwie hinbekommen (beinahe eine Ewigkeit ist das her), dass die Geographen-Vereinigung ihrer Majestät ihm eine Erste Klasse-Passage nach Singapur bezahlt. Diesmal hatten die Paradiesvögel für die komfortable Überfahrt gesorgt. Lebende Tiere nach London zu bringen ist vielleicht auch der dickköpfige Versuch Wallace’, die traumatischen Bilder ein für alle Mal aus seinem Kopf zu verbannen, die ihn seit dem gescheiterten Versuch am Ende seiner Amazonas-Reise verfolgen: Tiere, die sich in heller Aufregung am Bug des brennenden Schiffes im Atlantik vergeblich vor den Flammen zu retten versuchen; die Bilder des Papageien, der mit angesengtem Gefieder ins Meer stürzt.
Nach eigenem Bekunden sind Paradiesvögel stets eines der wichtigsten Motive für Wallace gewesen, durch die Inselwelt bis ans Ende des Archipels zu reisen. Dank ihrer fremdartigen Schönheit sind sie seit Langem begehrte Prunkobjekte im Inselreich ebenso wie in Europa. Verstärkt wird ihr Mythos durch die höchst fremdartige Welt, aus der sie stammen – Aru, Bacan, Weigeo und die große unerforschte Insel Neuguinea. Wallace ist es gelungen, Paradiesvögel nicht nur als Balg zu erhalten, sondern sie sogar selbst mehrfach an ihren Lebensorten aufzuspüren und zu beobachten. In seinem Reisebericht wird er später ein langes Kapitel den verschiedenen Arten dieser Vögel widmen, denen er während seiner Wanderjahre im Archipel begegnet ist; eine wichtige systematische Abhandlung dieser mythenumwobenen Vogelgruppe. Die größte Trophäe aber ist es, sie lebend mit nach London zu bringen.
Noch im Archipel bittet er seinen Agenten Samuel Stevens, sehr geschäftsmäßig und bestimmt, einen Handel zu verabreden, vielleicht mit einer Firma, die Ausstellungen im Crystal Palace betreibt, oder der Zoologischen Gesellschaft. Eine Erste-Klasse-Passage ab Singapur für ihn, wenn er Paradiesvögel lebend mitbringt; hundert Pfund dazu für den ersten Vogel, die Hälfte für den zweiten und fünfundzwanzig für jeden weiteren. »Wenn sie den Preis nicht zahlen wollen, werde ich mir die Mühe nicht machen, selbst wenn ich die Vögel hier für nichts bekommen sollte«, schreibt er an Stevens. Der kann schließlich den Sekretär der Zoological Society für den Handel erwärmen. In seinem späteren Reisebericht wie auch seinen Lebenserinnerungen erspart Wallace dem Leser diesen ökonomischen Aspekt und lässt es beinahe wie zufällig wirken, dass er die Tiere bekommt. »Während ich in Singapur auf die Rückfahrt mit dem Dampfschiff nach England wartete, erwarb ich zwei lebende Kleine Paradiesvögel.« (Wallace nennt sie noch Paradisaea papuana; heute werden diese zur im Norden Neuguineas weitverbreiteten P. minor gerechnet.) Dabei ist das Unterfangen von langer Hand geplant. Bereits bei seiner letzten Expedition im Archipel, als er von Juli bis September 1860 auf der Neuguinea vorgelagerten Insel Weigeo unterwegs ist, versucht er dort – wenngleich
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