Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
Vom Netzwerk:
vergeblich –, den einzigartigen Roten Paradiesvogel (Paradisea rubra) lebend zu fangen. Und auch im folgenden Jahr verliert er die Idee nicht aus den Augen; als er im November 1861 auf Sumatra ankommt, hört er von jenen zwei lebenden Paradiesvögeln, die er dann im Februar 1862 tatsächlich nach einigen Verhandlungen für zusammen knapp neunzig Pfund erwerben kann. Während ein Siamang (ein wie andere Gibbons auch mit den Menschen verwandter Affe), den er von Singapur aus ebenfalls lebend auf die Reise nach England schickt, auf der viermonatigen Schiffsfahrt rund ums Kap der Guten Hoffnung verstirbt, kümmert sich Wallace höchstpersönlich um das Wohlergehen seiner beiden Passagiere. Nicht zuletzt geht es ihm auch ums Geld. Hundertfünfzig Pfund plus Ausgaben (nicht für die Kakerlaken, aber für Käfige und anderes) sowie die Überfahrt wird die Zoological Society in London ihm zahlen, ein netter Profit. Bereits im März 1862, da ist er noch in Malta, macht sie Wallace überdies zum Fellow, einem respektierten Mitglied der Gesellschaft, sogar der übliche Jahresbeitrag wird ihm erlassen.
    Für Wallace verkörpern die Paradiesvögel jedoch nicht nur den Erfolg des Naturaliensammlers, als der er einst losgezogen ist. Sie stehen auch für das, was er als beobachtender Naturforscher im Archipel erreicht und entdeckt hat. Gerade diese Tiere sind der lebende Beweis für die natürlichen Reichtümer im Archipel; faszinierende Beispiele für die überbordende Formenvielfalt und Artenfülle tropischer Regionen und für jene Wunder der Tierwelt, die der Artenwandel und die natürliche Auslese hervorgebracht haben. Die beiden Paradiesvögel, die dann in einem großzügigen Vogelgehege in London gezeigt werden, stehen symbolisch auch für die erfolgreiche große Expedition, von der der Wanderer endlich zurückkehrt. Zugleich stehen sie für den neuen Blick, mit dem die Naturforschung dank Wallace und Darwin neuerdings die Welt und die Natur betrachtet.
    Die Rückkehr des Wanderers: Als Wallace an den Amazonas reist, ist er fünfundzwanzig. Als er im April 1862 aus dem Malayischen Archipel zurückkehrt, ist er neununddreißig. Zwölf dieser vierzehn Jahre hat er auf Expedition verbracht. Am Ende ist er müde, ausgelaugt und gesundheitlich angeschlagen. Malaria und andere tropische Gefahren haben seinen Körper geschwächt; es ist ein Wunder, dass er die Strapazen überlebt hat. Zwischen Asien und Australien ist er in den letzten acht Jahren zu wenigstens achtzig Einzelfahrten aufgebrochen, etwa eine pro Monat; und jedes Mal muss alles an Ausrüstung und Ausbeute wieder ein- und ausgepackt werden. Jetzt will Wallace nicht mehr länger mit dem gesamten Gepäck einer Expedition umherziehen. Es ist Zeit für ihn, an ein anderes Leben als an das eines Naturaliensammlers auf Reisen zu denken.
    Seine Expedition quer durch den Malayischen Archipel war, keine Frage, »das zentrale und entscheidende Ereignis in meinem Leben«, wie Wallace resümiert; vor allem in ökonomischer Hinsicht ist es ein voller Erfolg, der ihm finanzielle Sicherheit für die kommenden Jahre und Jahrzehnte geben kann. Zudem ist er beinahe über Nacht so etwas wie eine Berühmtheit geworden; nicht nur als erfolgreicher Reisender, vielmehr als Mitbegründer der Selektionstheorie, dessen Rolle bei der Entstehung von Darwins Buch »Origin« in London gut bekannt ist, wenigstens in den Fachkreisen. Als Wallace zurückkehrt, verkauft sich Darwins Werk bereits in der dritten Auflage, der Autor ist auf dem Weg zu weltweitem Ruhm – und weltweiter Beschimpfung. Ihre Theorie hat auch viele Anhänger jenseits des Ärmelkanals gewonnen (wie etwa in Deutschland Ernst Haeckel) und jenseits des Atlantiks (obgleich ihr etwa Asa Gray dort immer noch verhalten gegenübersteht). Dennoch ist die Abstammungstheorie weiterhin höchst umstritten. Der Schöpfungstheorie hängen in England keineswegs nur bornierte Bischöfe der anglikanischen Kirche an, so ein Chronist; auch profunden Denkern unter den Wissenschaftlern widerstrebt der materialistische Grundgedanke in Darwins Buch.
    Wallace steht weniger im Kreuzfeuer. Darwin erwähnt dessen historische Beteiligung am Zustandekommen der neuen Theorie in der neu verfassten historischen Einleitung, die er ein Jahr zuvor der dritten Auflage seines Werkes über »Die Entstehung der Arten« vorangestellt hat, nur in einem einzigen kurzen Satz. Immerhin; es ist für lange Zeit das einzige Mal, dass Wallace bei Darwin überhaupt seinen Namen

Weitere Kostenlose Bücher