Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
im Zusammenhang mit der Entwicklung der Ansichten von der Entstehung der Arten liest. Weiter geht Darwin auch bei anderen wichtigen Quellen nicht, aus denen er Anregungen zu seiner Idee erhalten hat. Eine Unterlassung, die ihm Historiker später zu recht vorwerfen werden.
Dem persönlichen Verhältnis zwischen Alfred Russel Wallace und Charles Darwin tut dies allerdings keinen Abbruch. Darwins Einladung an Wallace, ihn auf seinem Landsitz in Down House zu besuchen, erreicht diesen bereits in den ersten Tagen nach seiner Rückkehr, am 7. April 1862. Wenige Wochen später, nachdem Wallace eingerichtet ist und sich etwas erholt hat, macht er sich zu Darwin auf; eine historische Begegnung, von der wir indes nichts weiter wissen. Nur so viel: »Was mir bei Mr Wallace am meisten auffällt«, notiert Darwin später, »ist, dass er mir gegenüber gänzlich ohne Eifersucht ist: Er muss eine ausgesprochen gute und noble Einstellung haben. Was höher zu werten ist als bloßer Verstand.« Offenkundig ist Darwin erleichtert. Und Wallace genießt die familiäre Atmosphäre im Hause Darwins und die Spaziergänge mit diesem entlang jenes legendären »sandwalks« am Rande seines Landsitzes, der durch ein kleines Wäldchen führt und von dem aus sie auf die wellige Hügellandschaft Kents blicken können. Hier hat Darwin spazierengehenderweise viele seiner Ideen entwickelt.
Zwar ist Darwin in den kommenden Jahren nur selten noch in London; doch wenn es seine Gesundheit erlaubt, treffen Wallace und er sich immer wieder einmal zum Lunch, oder er besucht Wallace in dessen Haus, um seine Naturalienschätze zu bewundern. Beide pflegen ihre freundschaftliche Verbindung über all die Jahre und trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, die sie bei der einen oder anderen wissenschaftlichen Frage durchaus haben werden. »Alles Verdienst, auf das ich einen Anspruch erhebe, ist, dass ich Ihnen die Veranlassung gegeben habe, sogleich zu veröffentlichen«, schreibt Wallace an Darwin. Der spricht in seinen späten Lebensjahren von der Selektionstheorie als von Wallace’ und seiner Theorie. Und in seinen Lebenserinnerungen notiert Darwin, vielleicht mit dem Abstand vieler Jahre nicht mehr ganz wahrheitsgemäß: »Ich habe mich nie darum gekümmert, ob die Menschheit mich oder Wallace für den originaleren hielt; und sein Essay half ohne Zweifel bei der Rezeption der Theorie.«
Wallace bleibt bescheiden und schätzt seine Rolle in einem Brief an seinen Freund Bates so ein: »Niemals hätte ich die Vollständigkeit seines Buches erreichen können. … Ich bin wirklich dankbar, dass es nicht mir überlassen blieb, diese Theorie öffentlich zu vertreten. Mr Darwin hat eine neue Wissenschaft begründet und eine neue Philosophie.« In einem weiteren Brief 1869 vergleicht er Darwin mit einem Armeeführer, sich selbst dagegen sieht er gleichsam nur als Guerilla-Kämpfer und wiederholt nochmals: »Ich bin froh, dass Darwin sich des Studiums dieses Themas bereits viele Jahre vor mir angenommen hat, und dass es nicht mir überlassen wurde, es zu versuchen und bei einem großen Werk zu scheitern, dessen er sich auf bewundernswerte Weise angenommen hat.« Im selben Jahr wird Wallace auch sein wichtigstes Buch veröffentlichen: »The Malay Archipelago«. Er widmet es Charles Darwin, »nicht nur als Zeichen persönlicher Achtung und Freundschaft, sondern als Ausdruck meiner tiefen Bewunderung für seinen Genius und seine Werke«. Bis zu Darwins Tod 1882 pflegen beide einen regen Briefwechsel. Und schließlich wird Wallace in seiner ihm eigenen selbstbescheidenen Weise mit seinem 1889 erscheinenden gleichnamigen Buch den Begriff »Darwinismus« für ihre gemeinsame Evolutionstheorie etablieren.
Die Sammlung des Privatgelehrten: Durch den Verkauf seiner riesigen Naturaliensammlung voller begehrter Stücke wird Wallace zwar nicht zum gemachten Mann; doch kann er davon für die nächsten Jahre auskömmlich und ohne finanzielle Sorgen leben. Stevens hat Wallace’ Anteil am Verkaufsgewinn in indische Eisenbahnaktien investiert und verschafft ihm so ein jährliches Einkommen von etwa 200 bis 300 Pfund. Bereits während der Rückreise hat Wallace von Java aus in einem Brief an seine Familie Pläne für die Zukunft geschmiedet. Das Cottage der Mutter ist zu klein, er braucht Raum zum Arbeiten, um die Ausbeute seiner Reise zu verstauen und das Material seiner Sammlung zu bearbeiten. So erwirbt seine Schwester Fanny für sie ein größeres Haus, etwas außerhalb Londons
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