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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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in einem Vorort im Westen. Hier in Westbourne Grove Terrace (das Haus steht noch heute) wird Wallace gemeinsam mit seiner Schwester und ihrem Mann Thomas Sims für die kommenden Jahre leben. Im Jahr 1865 zieht er dann gemeinsam mit seiner Mutter in ein Haus in St. Mark’s Crescent, nahe dem Regent’s Park und nur einen kurzen Gehweg zum British Museum, den Bibliotheken und vor allem den Sitzungsräumen der gelehrten Gesellschaften entfernt. Hier wird ihn neben Darwin vor allem Charles Lyell immer wieder einmal besuchen; auch mit ihm pflegt Wallace in London eine freundschaftliche Beziehung.
    In dem Haus in Westbourne Grove, in einem großen leeren Raum im oberen Stockwerk, bringt er jetzt erstmals wieder seinen großen Schatz zusammen. Denn neben den zum Verkauf bestimmten Stücken und Dubletten hat Wallace während der jahrelangen Reisen auch immer für seine eigene, ganz private Sammlung versucht, von jeder neu gefundenen Art wenigstens ein, gern auch mehrere Stücke zu behalten. In Dutzenden von Kästen und Kisten hat er diese von unterwegs aus an Samuel Stevens geschickt, unübersehbar stets mit »private« markiert und mit der Instruktion versehen, sie für ihn sicher zu verwahren. Jetzt macht sich Wallace daran, diese private Sammlung aufzuarbeiten. Seit ihrer Ankunft sind die Frachtkisten ungeöffnet; vieles vom dem, was er darin findet, hat er selbst seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gesehen. Er wird alles in Ruhe sichten und sortieren, die Stücke ausbreiten und nach einer allgemeinen Klassifizierung ordnen. Es sind, nach Wallace’ überschlägiger Schätzung, dreitausend Vogelbälge von ungefähr tausend Arten, vielleicht zwanzigtausend Schmetterlinge und Käfer von etwa siebentausend Arten; dazu noch die Schalen von Landschnecken und einige ausgestopfte Säugetiere. Viele der Tiere sind der Wissenschaft noch unbekannt und harren darauf, von Wallace oder anderen Forschern beschrieben zu werden. Das Auspacken ist anstrengend, eine »grobe und schmutzige Arbeit«. Er merkt, wie angeschlagen er gesundheitlich durch die jahrelangen Strapazen und die vielfältigen Entbehrungen ist, die schlechte Ernährung unterwegs auf abgelegenen Inseln, die tropischen Krankheiten. Wann immer es in den folgenden Jahren in England zu einem Wetterumschwung kommt, ist Wallace höchst anfällig für Fieber und Schüttelfrost.
    Die ersten Jahre verbringt er so beinahe täglich mit der Aufarbeitung seiner Sammlung. Bald wird das Material den ganzen Raum einnehmen; es ist eine der größten Privatsammlungen, und sie wird für Aufsehen unter den Naturforschern Londons sorgen. Im geräumigen Studio seines Schwagers (der sich endlich als Photograph etabliert hat) richtet Wallace kurz nach seiner Rückkehr eine kleine öffentliche Ausstellung ein. »Als die ganze Serie der bunten Papageien, der Tauben, der Paradiesvögel und anderer auf den Tischen mit weißem Papier ausgelegt war, hätte der Anblick ihrer wunderbaren Farben, eigentümlichen Formen und ihrer exquisiten Beschaffenheit durch nichts übertroffen werden können«, schwärmt Wallace. Jahre später wird er damit beginnen müssen, auch Teile dieser Privatsammlung zu verkaufen, um die Einnahmen aus den Eisenbahnanteilen aufzustocken. Das Leben in London ist teuer, und die Aktien sind angesichts der ökonomischen Risiken auch der damaligen Zeit allein keine verlässliche Einnahmequelle.
    Anfangs widmet sich Wallace akribisch der systematischen Bearbeitung seiner Vögel, Schmetterlinge und Käfer. So entstehen in den ersten Monaten und Jahren in kurzer Folge Einzelarbeiten etwa zu den Paradiesvögeln und den Schmetterlingen des Malayischen Archipels. Diese trägt er bei den Sitzungen der wichtigsten Gesellschaften in London vor – der Zoological, Entomological und Geographical Society sowie der Linnean Society. So viel Selbstvertrauen er mittlerweile auch gefunden haben mag, er ist weiterhin schüchtern und steht bei diesen Gesellschaftsabenden nicht gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seine Sache ist die schriftliche Ausarbeitung des Gegenstandes. Dazu besucht er oft die Sammlungen des Britischen Museums, insbesondere die ornithologische Abteilung. Dort wird George Gray viele der von Wallace gesammelten Vögel beschreiben, darunter beispielsweise jenen Standartenwimpelträger, den einzigen Paradiesvogel von den Molukken. Überhaupt wird Wallace es später anderen überlassen, die Tiere seiner reichen Sammlung weiterzubearbeiten. Die darin verborgenen neuen Arten

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