Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
Vom Netzwerk:
einzeln zu beschreiben wird für ihn eine »vergleichsweise nutzlose Beschäftigung«, wie Wallace später notiert. Sie ist es nicht; doch bedeuten jahrelange Expeditionen auch jahrzehntelanges Aufarbeiten; eine Tätigkeit, die sich – ähnlich wie bei Darwin, Humboldt und anderen – bis weit in seinen Lebensabend erstreckt hätte, wären nicht andere Fachleute bei einzelnen Tiergruppen zu Hilfe gekommen.
    Wallace selbst verschafft diese Reise vor allem intellektuelles Kapital. Denn auf der Aufarbeitung fußen jene wichtigen Veröffentlichungen, die seinen Nachruhm begründen werden. Natürlich hat Wallace, wie wir gesehen haben, bereits von unterwegs viel geschrieben und während der vergangenen acht Jahre seiner Reise immerhin 38 Artikel und sogenannte Letter veröffentlicht , also separat gedruckte Auszüge aus Briefen über seine Exkursionen und Entdeckungen. Seine weiteren Publikationen belegen Wallace’ außerordentliche intellektuelle Aktivität auch in den nachfolgenden Jahren; zusammen sind es mehr als 747 Aufsätze und Arbeiten, die zwischen 1848 und 1913, also über sechzig Lebensjahre hinweg, erscheinen; durchschnittlich zwölf Publikationen in jedem Jahr, wie einer seiner Biographen akribisch ermittelt hat. Vom Jahre 1862 an sind es sogar 13,5 Aufsätze pro Jahr – Wallace ist unbestritten einer der produktivsten Wissenschafter seiner Zeit (übertroffen ein Jahrhundert später nur von emsigen Essayisten wie etwa Stephen Jay Gould mit durchschnittlich 17,4 Arbeiten pro Jahr, und vergleichbar mit einem Ernst Mayr, Jared Diamond oder Edward O. Wilson). Dabei schreibt Wallace leicht, flüssig und gut lesbar – nicht nur in seinen wissenschaftlichen Fachartikeln, sondern auch vor allem in den 22 Büchern. Neben der reinen Zahl erstaunt bis heute die breite Palette an Themen aus Biologie, Geographie, Geologie und Anthropologie, zu denen er wichtige Beiträge liefert.
    Bald nach seiner Rückkehr schlägt Wallace ein neues Kapitel seiner publizistischen Tätigkeit auf. »Ich habe mich den großen Generalisierungen gewidmet«, schreibt er rückblickend in seinen Lebenserinnerungen. Er weiß sehr wohl um seine besondere Begabung, allgemeine Schlüsse aus vielen Einzeltatsachen zu ziehen. Doch welchem großen Vorhaben soll er sich nun als Erstes widmen? »Sicher ist es verwirrend, sich entscheiden zu müssen, mit welchem Thema Sie beginnen werden …«, mutmaßt Darwin ebenso beiläufig wie höflich in einem Brief; auch er ist wohl neugierig, was Wallace in Angriff nehmen wird. Anders als man vielleicht erwarten sollte, wird dieser jedoch in den ersten Jahren in London kaum ein Wort zu Evolution und Selektion schreiben; stattdessen stehen anfangs biogeographische Betrachtungen im Vordergrund – und natürlich sein großer Reisebericht über den Archipel. Vor allem aber wird sich Wallace für den Menschen interessieren. Und unabhängig von theoretischen Erwägungen rücken diese auch ganz unmittelbar und in einer bis dahin von ihm erstaunlich lange vernachlässigten Weise in den Fokus. Wallace wird heiraten, wenngleich erst nach einem äußerst frustrierenden Fehlstart.
    Heirat und Familie: Noch unterwegs hat Wallace sich nicht nur über seinen späteren Wohnort Gedanken gemacht. An George Silk, seinen Jugendfreund aus der Zeit in Hertford, schreibt er in einem Brief aus Singapur seine privaten Gedanken über Frauen und die Ehe; doch ohne konkrete Pläne ist er da noch jener sprichwörtliche Blinde, der von der Farbe redet. »Ich glaube, eine gute Ehefrau ist der größte Segen, dessen sich ein Mann erfreuen kann, und der einzige Weg zum Glücklichsein.« Früher hatte er Silk gegenüber einmal die Ansicht vertreten, dass es für ihn eine unverzichtbare Notwendigkeit sei, seine Ehefrau als intellektuelle Partnerin zu sehen. Jetzt nach längerem Nachdenken und der Einsamkeit seiner acht Jahre im Archipel hat er seine Meinung offenbar geändert. »Sollte ein guter Stern mir jemals eine einfühlsame, gütige und häusliche Frau schenken, sind Fähigkeiten und Leistung oder gar Bildung zweitrangig«, so Wallace.
    Allerdings gestaltet sich die konkrete Suche nach der Richtigen für ihn kaum einfacher als die nach einer neuen Paradiesvogelart. Sein Freund George Silk ist dabei behilflich; auf dessen Beharren hin wird Wallace Mitglied in einem Londoner Schachclub. Wie von Silk erhofft, macht er dort die entsprechende Bekanntschaft, in diesem Fall eines Mannes, den Wallace später nur »Mister L« nennen wird (und von

Weitere Kostenlose Bücher