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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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anatomischen Differenzen, später werden vermehrt die sehr viel schwerer zu fassenden mentalen Eigenschaften und sozialen Verhaltensweisen ins Feld geführt. Bis heute ist die Grenzziehung zwischen Unterschied und Gemeinsamheit eher Ansichtssache und Auslegung.
    Richard Owen setzte seinen Kenntnissen entsprechend bei anatomischen Unterschieden an. So behauptet er, dass das Gehirn von Menschenaffen – wie etwa einem Gorilla – dem der übrigen Säugetiere ähnlicher sei als dem des Menschen. Nur im Gehirn des Menschen säße eine besondere Hirnstruktur, der sogenannte Hippocampus minor. Auch unterscheide sich laut Owen der Mensch etwa vom Schimpansen so weit wie der Schimpanse vom Schnabeltier. Thomas Henry Huxley, den Wallace seit ihrer ersten Begegnung vor allem für seine anatomischen Kenntnisse bewundert und mit dem er bald ebenfalls freundschaftlich verbunden ist, widerlegt Owen durch eigene anatomische Untersuchungen am Gehirn der fraglichen Tiere. In einem Artikel über Mensch und Affe weist er ihn und seine Behauptungen im Frühjahr 1860 in die Schranken. Huxley spart, anders als Darwin, den Menschen bei der Evolutionsdebatte fortan nicht mehr aus. Er verfasst dazu 1863 einen kleinen Essayband »Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur«; einen sehr populären Text, allgemein verständlich geschrieben, in dem er den Menschen erstmals in eine kontinuierliche Entwicklungsreihe mit den übrigen Menschenaffen stellt. Huxley illustriert dies mit einer ikonenhaften Darstellung einer evolutionären Reihung aus vier Skeletten von Menschenaffen – vom Gibbon über den Gorilla bis zum Homo sapiens. Von Darwin ist dazu ein ganz eigener, höchst hintergründig-humorvoller Kommentar überliefert: »Ich möchte wissen, was ein Schimpanse dazu sagen würde.«
    Auch Charles Lyell lässt die Affenfrage keine Ruhe. Er publiziert ebenfalls 1863 ein Buch über »Die Geologischen Zeugnisse für das Alter des Menschen«. Darin räumt er aus der Sicht des Geologen mit Schöpfung und Sintflut auf und lässt die Vorfahren des Menschen neben ausgestorbenen Tieren leben, die man nur von Fossilien kennt. Allerdings sind die Funde zur Entwicklung des Menschen im 19. Jahrhundert noch zu rar, um zu wirklich verlässlichen Aussagen zur Abstammung zu kommen.
    Und in diese Zeit nun fällt auch Wallace’ eigener Aufsatz zum kontroversen Thema: »The origin of human races«, also über »Die Entwicklung der menschlichen Rassen unter dem Gesetz der natürlichen Zuchtwahl«, den er im März 1864 vor der Anthropological Society in London hält (dieser wird übrigens später sogar auf Deutsch in einem Essayband veröffentlicht, aber seitdem leider kaum mehr gelesen). Wichtig ist dieser Aufsatz für uns, weil Wallace ausgerechnet bei diesem wichtigen Thema seine Meinung bald ändern wird. Doch jetzt, kurz nach seiner Rückkehr, verteidigt er noch seine und Darwins Theorie, die eben auch den Menschen einschließt. Wallace verknüpft in seinem Beitrag Überlegungen zur Abstammung mit der »Rassenbildung« des Menschen und schreibt beides der Macht der natürlichen Auslese zu, »und da auf keine andere Weise gezeigt werden kann, dass individuelle Abänderungen jemals angehäuft und permanent gemacht werden können, um gut markierte Rassen zu bilden, so folgt daraus, dass die Differenzen, welche jetzt das Menschengeschlecht von anderen Tieren trennen, entstanden sein müssen, ehe es in den Besitz eines menschlichen Intellektes oder menschlicher Sympathien gelangte.« In einem Wort: Der Ursprung des Menschen liegt lange zurück, genug Zeit, ihn durch frühes Abzweigen und allmähliche Veränderungen zu dem zu machen, was er heute ist – ein nackter Affe mit großem Gehirn. So komme es, dass man den Menschen »nach dem Kopf und Gehirn beurteilt, in eine distinkte Unterklasse der Säugetiere stellt, während hinsichtlich der Knochenstruktur seines Körpers die genaueste anatomische Ähnlichkeit mit den anthropoiden Affen vorhanden ist, jeder Zahn, jeder Knochen genau homolog – was die Bestimmung des Unterschiedes zwischen Homo und Pithecus zu einem Kreuz des Anatomen macht«. Doch die neue Theorie Darwins, so schließt Wallace seinen Beitrag, erkenne ebendiese Tatsachen voll an und trage ihnen Rechnung: Auch der Mensch sei mithin ein Produkt der natürlichen Selektion und die menschlichen Rassen gehörten alle zu unserer Art; es seien lokale Varianten und eben nicht permanent distinkte Arten. Die gegenteilige Ansicht forciert etwa in

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