Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
London macht er zu dieser Zeit die Bekanntschaft eines Amateurbotanikers, der führenden britischen Autorität für Moose. Dr. William Mitten, von Haus aus Chemiker und Apotheker, hilft Wallace’ Freund Bates, dessen Sammlung vom Amazonas zu bestimmen und aufzuarbeiten. Als Wallace Bates im Sommer und Herbst 1864 einige Male im Haus des Mooskundlers Mitten in Hurstpierpoint in Sussex im Süden Englands besucht, lernt er dort auch die Älteste von dessen vier Töchtern, die damals achtzehnjährige Mary Annie, kennen. Nach seiner unheilvollen Erfahrung lässt sich Wallace diesmal nicht wieder so viel Zeit; er wirbt um Annie und gewinnt sie innerhalb eines Jahres für sich. Im April 1866 sind sie verheiratet; ihre gemeinsame Liebe zu Pflanzen wird sie lebenslang verbinden; und trotz des Altersunterschieds von immerhin 23 Jahren ist Annie genau jene gütige häusliche Ehefrau, die sich Wallace erträumt hatte und mit der er immerhin beinahe ein halbes Jahrhundert glücklich verbringen soll.
Annie muss die Richtige für ihn gewesen sein, denn sie hat wohl nichts daran auszusetzen gefunden, dass ihre Hochzeitsreise sie in den Norden von Wales führt, wo Wallace, mit einem dicken Werk über Gletscher bewaffnet, sich auf Bergwanderungen begibt und begeistert nach immer neuen Zeugnissen der Eiszeiten sucht, nach Schleifspuren im Gestein, Geröllablagerungen, Eislöchern und Endmoränen. Bei ihren gemeinsamen Ausflügen in die Berge werden jene eisigen Zeiten ihnen so gegenwärtig und geradezu lebendig, als ob sie sie selbst erlebten. Das unmittelbare Ergebnis dieser Hochzeitsreise ist eine Veröffentlichung von Wallace über Eismarken im nördlichen Wales, die bereits nach exakt neun Monaten, im Januar 1867, erscheint. Im Juni 1867 wird der erste gemeinsame Sohn geboren.
Alfred und Annie haben drei Kinder; das erste ist Herbert Spencer, genannt Bertie (die Namensgleichheit mit dem britischen Philosophen ist keineswegs zufällig, sondern beabsichtigt; Wallace bewundert ihn sehr). Es stirbt mit sechs Jahren, während Violet Isabel (geboren 1869) und William Greenell (geboren 1871) ihren Vater überleben werden; auf Letzteren gehen die noch heute lebenden Nachfahren Wallace’ zurück. Nach ihrer Heirat leben Alfred und Annie für weitere vier Jahre in London; obgleich sie davon eines, ab Mitte 1867, auf dem Land in Hurstpierpoint im Haus der Familie Mitten verbringen. Von seiner Frau ermutigt, die gerade ihr erstes Baby geboren hat und hier dankend jede familiäre Hilfe annimmt, beginnt Wallace endlich die Arbeiten an seinem Reisebuch über den Malayischen Archipel.
Annie ist von den Biographen arg vernachlässigt worden; kein Wunder zum einen, weil auch Wallace sie kaum einmal in seiner Autobiographie erwähnt (selbst die Schilderung der unglücklichen Verlobung mit jener Miss L nimmt mehr Raum ein als die Heirat mit Annie); zum anderen, weil wir tatsächlich nicht viel mehr über sie wissen, als dass sie die Liebe zur Botanik und zum Gärtnern mit ihrem Mann teilte. Doch wollen wir hier ihre besondere Rolle insofern herausstellen, als sie für Wallace jenes familiäre Umfeld geschaffen hat, in dem sich seine publizistische Kreativität reich entfalten kann.
Die Stellung des Menschen in der Natur: Eine der zentralen Fragen, die Wallace bereits früh beschäftigt und der er sich bald ausführlicher widmet, ist die nach Herkunft und Stellung des Menschen. »Ich habe mich mit ziemlicher Ausführlichkeit bei den mannigfaltigen und interessanten Problemen, welche sich dem Naturforscher bieten, aufgehalten. Ehe ich meinen Lesern ein Lebewohl zurufe, wünsche ich aber noch einige Bemerkungen über einen Gegenstand von noch größerem Interesse und noch tieferer Wichtigkeit zu machen, welche die Betrachtung wilden Lebens mir eingegeben, und aus welchen, wie ich glaube, der zivilisierte Mensch etwas von dem Wilden lernen kann«, schreibt er ganz am Ende seines Reiseberichts. Eines der frühesten Zeugnisse dafür, dass es Wallace immer auch um eine Betrachtung des Menschen geht, ist jener bereits erwähnte, wenngleich nicht erhaltene Brief an Charles Darwin von 1857, als er diesen noch von den Molukken fragt, ob er vorhabe, sich in seinem Arten-Buch auch zum Menschen zu äußern (was dieser verneint, wie wir aus seiner Antwort wissen). Wallace widmet das gesamte letzte Kapitel seines »Malayischen Archipels« der Frage nach den Unterschieden einzelner »Menschenrassen«, wie sie bei ihm heißen (wir sprechen heute von Ethnien oder
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