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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Deutschland Ernst Haeckel noch bis zu seinem Tod – zum großen Schaden für die Entwicklung der Evolutionsbiologie dort, von den politischen Folgen und Strömungen in den darauf folgenden Jahrzehnten ganz abgesehen, denen Haeckel mit diesem Irrglauben erheblich Vorschub leistet. Wallace ist, wie Darwin und viele große Denker seiner Zeit, entschieden der Ansicht, dass die gesamte Menschheit eine Einheit bildet.
    Wallace’ Kehrtwende bei der Menschheitsfrage: Und obgleich er an diesem Punkt niemals zweifelt, kommt es nur wenige, aber offenbar entscheidende Jahre später zu einer mysteriösen Kehrtwende Wallace’ bei einer anderen Frage zum Menschen. Mysteriös deswegen, weil sich trotz aller Bemühungen einzelner Historiker wie Malcolm Jay Kottler, Joel Schwartz und Michael Shermer, die dem nachgegangen sind, die Gründe letztlich nicht völlig klären lassen. Es geht dabei um die Frage, inwieweit die natürliche Selektion auch auf den Menschen wirkt.
    Die entgegengesetzten Ansichten von Wallace und Darwin bei dieser Frage werden zu einer ersten Prüfung für ihre Freundschaft, als Wallace im April 1869 erneut einen Aufsatz dazu veröffentlicht; und zwar anlässlich einer Besprechung der Neuauflagen zweier Bücher von Charles Lyell, der Darwins Idee der Evolution durch natürliche Selektion aufnimmt und sich nun öffentlich zu dieser Theorie bekennt. Wallace untersucht Lyells Bücher wie immer sehr kenntnisreich und freundlich in der Zeitschrift »Quarterly Review«. Doch kommt er darin dann zu einem überraschenden Schluss, weshalb sein Beitrag auch mit »Limits of Natural Selection applied to Man« überschrieben ist, »Die Grenzen der natürlichen Zuchtwahl in ihrer Anwendung auf den Menschen«. Abweichend von seiner eigenen Idee zur Erklärung des Artenwandels und der Artenvielfalt meint Wallace nun, dass allein beim Menschen das große Prinzip seine Grenzen hat. Die Natur allein könne nicht für unser Gehirn und Denken verantwortlich sein. Wenn aber die »höheren, mentalen Fähigkeiten«, wie Wallace schreibt, also etwa Intelligenz und Moral, nicht als Anpassung entstanden sind (wie dagegen Darwin glaubt), dann müsse es eine andere, übergeordnete und allmächtige Instanz geben.
    Die Argumentation, die Wallace zu diesem Schluss bringt, müssen wir hier genauer ansehen. Denn es ist ursächlich keineswegs eine religiöse Überzeugung, sondern vielmehr eine konsequent wissenschaftliche Überlegung, die Wallace plötzlich von seiner ursprünglichen Ansicht abweichen lässt. Gerade Organe wie Gehirn (aber auch unsere Hand), der gesamte menschliche Verstand könnten nicht, so sagt Wallace, durch die natürliche Auslese und langsame Schritte der Anpassung erworben worden sein. So sei die menschliche Intelligenz doch offenkundig größer als notwendig, um zu überleben; ergo könne sie nicht das Ergebnis einer allein natürlichen Auslese sein. Tatsächlich können Anpassungsprozesse nicht mehr liefern, als bestellt wurde. Stattdessen, so Wallace, seien die spezifischen Eigenschaften des Menschen diesem von »einer überlegenen Intelligenz« für spezielle Zwecke und in weiser Voraussicht gegeben. Wallace argumentiert, dass etwa der Glaube an Gott, die Sympathie für die Schwachen und die Kranken weder dem Einzelnen noch dem Stamm eine Überlegenheit im Kampf ums Dasein gäben. Nach der Theorie der natürlichen Selektion aber müsse alles Anpassung sein, um im Überlebenskampf zu bestehen.
    Diese Ansichten »geben uns ein neues Argument an die Hand, um den Menschen für sich zu stellen, nicht nur als das Haupt und den Kulminationspunkt der großen Reihe der organischen Natur, sondern auch in einem gewissen Grade als eine neue und verschiedene Ordnung von Wesen«. In seinem Beitrag führt er aus, dass in einem absichtsvollen Universum ein allgegenwärtiges höheres Wesen – was immer dies sein mag – Sorge insbesondere für den Menschen trage. Das Wort »Gott« in diesem Zusammenhang zu verwenden vermeidet Wallace bei dieser wie auch späteren Gelegenheiten; stattdessen spricht er von Mächten, Intelligenz, Kräften und Einwirkungen. Aber dieser feine Unterschied entgeht seinen Kritikern meist; und ebenso jenen, die heute glauben, ihn als Kreationisten vereinnahmen zu können. Keine Frage indes: Wallace glaubt, dass der Mensch irgendwie etwas anderes sein müsse, ohne allerdings dieses Anderssein besser als durch ebenjenes nur postulierte Anderssein begründen zu können. Seine Argumentation, so wissen wir heute,

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