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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Lehren«, wie es im Untertitel der im Jahr darauf in Leipzig auch auf Deutsch erscheinenden Schrift heißt. »Ich behaupte, dass die Phänomene des Spiritualismus in ihrer Gesamtheit keiner weiteren Bestätigung bedürfen«, meint Wallace. Und 1875 lässt er dann mit »On Miracles and Modern Spiritualism« eine dritte Arbeit folgen. Man darf nicht unterschätzen, dass er auch in dieser schriftstellerischen Betätigung recht erfolgreich ist. Es sichert ihm ein anderes als ein wissenschaftliches, aber ein sehr begieriges und begeisterungsfähiges Publikum. Nicht selten erscheint bei Wallace auf diese Weise sogar denjenigen der Evolutionsgedanke bekömmlicher, die Darwin zu technisch und zu ketzerisch finden. Mehr als ein Jahrzehnt später wird Wallace seinen vielleicht erfolgreichsten, zumindest finanziell einträglichsten Vortrag nicht über Evolution, sondern über Spiritualismus halten. In San Francisco kommen 1887 mehr als tausend Zuhörer zusammen, um ihn zu hören. Überhaupt findet er während seiner Reise in Amerika (wir kommen noch dazu) eine am Spiritualismus noch interessiertere Gesellschaft als in England vor. Ermutigt sicher auch durch solche Erfolge, legt er 1890 mit dem Buch »Human Selection« nochmals nach und ist 1898 ein engagierter Teilnehmer an einem internationalen Kongress der Spiritualisten. Schließlich kulminiert seine Sicht der Welt in zwei Werken, die er nach der Wende zum 20. Jahrhundert, 1903 und 1910 veröffentlicht (auch dazu kommen wir später).
    Fassen wir also zusammen: Wallace dürfte mit seiner Exzentrik und seinem Eklektizismus ebenso verwirrend für seine Zeitgenossen gewesen sein wie für uns heute. In jedem Fall aber ist er eine vielschichtige Persönlichkeit und eine dadurch auch kontroverse Figur – »a paradox to everyone but himself«, wie ein Biograph es treffend formulierte. Man macht es sich zu leicht, wenn man ihn lediglich für einen auf die schiefe Bahn geratenen Gläubigen hält oder ihm umgekehrt abspricht, auch ein empirischer Forscher zu sein. Er ist nicht einfach nur vom Wissenschaftler zum Spiritualisten mutiert. Vielmehr versucht er, die Grenzen der Wirksamkeit materialistischer Faktoren, allen voran der natürlichen Selektion, auszuloten, als diese eben noch nicht abgesteckt sind. Was Wallace nicht erkennt oder sich nie eingesteht, ist, dass er sich wie viele andere auch getäuscht hat und in eine Sackgasse geraten ist. Doch sollten wir uns vor überheblicher Kritik Nachgeborener hüten. Wem ist es schon vergönnt, im verschlungenen Labyrinth des Geistes und Nachdenkens über die Welt zu allen Zeiten den Blick des über den Dingen schwebenden Sehers zu haben? Bei der Entdeckung der Evolution war Wallace genau dies gegeben, beim Spiritualismus eben nicht.
    Seine quasireligiöse, oft gar als kreationistisch missverstandene Position diskreditiert ihn in den Augen vieler bis heute, die ihm dann oft auch zugleich jegliches Verständnis von Evolution und Adaptation absprechen wollen. Für Wallace ungleich wichtiger ist, dass seine bei anderen Forschern unpopulären Ansichten zum Spiritualismus (ebenso wie seine radikalen politischen Ansichten) ihm zu Lebzeiten zweifelsohne nicht unerheblich geschadet haben. Wallace wird sich noch einige Male um verschiedene Positionen bewerben – von Museumsleitungen bis zur Forstverwaltung; doch wird er keine davon bekommen. Die Gründe mögen in jedem Einzelfall verschieden sein, doch jedes Mal ist es ein herber Schlag für seinen Stolz und sein Selbstvertrauen – und überdies seinen Geldbeutel. Wallace bekommt bald finanzielle Probleme. Immerhin hat es aber auch etwas Gutes, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht mit einer Anstellung verdient: Als Privatgelehrter hat er auch weiterhin mehr Zeit als andere, jene wissenschaftlichen Werke zu verfassen, die ihn dann unsterblich machen.

Biogeographie und Auslese –
Der erste Darwinist
    (1863–1889)
    Wie unangenehm, diese ewigen Vorträge! Wallace schätzt es gar nicht, bei solcher Gelegenheit derart im Rampenlicht zu stehen. Am 8. Juni 1863 ist es wieder einmal so weit, diesmal bei der Royal Geographical Society. Wir haben diese distinguierte Gesellschaft schon als das Reisebüro des Empires kennengelernt. Hier hat Wallace bereits vor Jahren einmal über seine kartographischen Arbeiten am Rio Negro vorgetragen und dank der Vermittlung des Präsidenten Sir Roderick Murchison dann eine freie Passage in den Malayischen Archipel erhalten.
    Zum Glück muss er

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