Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
seinen Beitrag jetzt wenigstens nicht selbst verlesen; das macht in routinierter Weise, und wie es üblich ist bei diesen Londoner Zusammenkünften, der Sekretär der Society, ein gewisser Mr Markham. Der hebt jetzt an, Wallace’ Ansichten zur »physikalischen Geographie des Malayischen Archipels« vorzutragen; die Umgrenzung der Region und ihre Einteilung, die westliche indo-malayische und die östliche austro-malayische Hälfte, wie er es hier nennt; dann die Unterschiede zwischen den nicht-vulkanischen Inseln wie Borneo und im Grund auch Celebes, im Gegensatz dazu die vulkanischen Inseln, die gleichsam in einem Feuerbogen (später wird Wallace dies in der Karte mit einem dicken roten Strich markieren) von Sumatra und Java über Bali nach Ternate ziehen. Dann noch einige Bemerkungen zu den feuchten Regenwäldern auf Borneo und Neuguinea, dazwischen jene Inseln mit weit trockeneren Regionen wie auf Lombok, Timor oder Celebes.
Wallace hört kaum richtig zu, als der Sekretär Markham dann auf seine Idee zu sprechen kommt, die Karte des Geologen George Windsor Earl heranzuziehen, um die Unterschiede in Vorkommen und Verbreitung der Tiere zu erklären, wie Wallace sie fand. Dadurch, so schließt der Vortrag, könnten nun geologische Ursachen genutzt werden, um biologische Phänomene plausibel zu erklären. Etwa jenes eigenartige Aufeinanderstoßen, aber eben nicht Übereinanderschieben der beiden großen Faunenreiche Asiens und Australiens mitten im Archipel. Solche Tatsachen, lässt Wallace verkünden, gelte es vermehrt ins Kalkül zu ziehen, wenn Naturforscher die Geschichte der Erde zu rekonstruieren vesuchen. Damit beendet Markham die Verlesung seines Beitrags. Applaus aus den Reihen der Zuhörer und allgemeines Kopfnicken. Wallace könnte erleichtert sein.
Hat er sich indes beim Vortrag schon nicht behaglich gefühlt, kommt nun jener Teil, bei dem ihm erst recht nicht wohl ist: die Diskussion. Präsident Murchison spricht als Erster. Er habe in all den Jahren, in denen er die Ehre hat, mit dieser Gesellschaft verbunden zu sein, noch keinen derart erhellenden Beitrag gehört, der zugleich in so vollkommener Form verschiedene Zweige der Wissenschaft zusammenbringt. Wallace atmet innerlich auf, spürt, wie seine Anspannung langsam nachlässt. Der Präsident fährt fort: »Es gibt hier im Raum wohl niemanden, so glaube ich sagen zu dürfen, der sich nicht meiner Meinung anschlösse, dass die Gesellschaft wohl niemals zuvor einen Reisenden in ein fernes Land ausgeschickt hat, der vollständiger alle wichtigen Aspekte der örtlichen Naturgeschichte untersucht und diese in ähnlich überzeugender Weise kombiniert und mit profunderer Kenntnis vermittelt hätte.« Nochmals flutet tosender Applaus durch den Sitzungssaal.
Anschließend erheben sich weitere Redner, die wie so häufig zuerst einmal ihre eigenen Ansichten referieren, bevor sie dann Wallace eine Frage stellen. Ein Mr Crawfurd will wissen, warum denn die Ureinwohner Neuguineas und Australiens so unterschiedlich seien, wenn doch Wallace jetzt ihrer beider Heimat in einer großen kontinentalen Region zusammenfasse; ebenso verschieden seien auch Inder von den Malaien. Und dann fährt dieser Mr Crawfurd mit weiteren Fragen zu Java, zu Celebes, zu Bali und Lombok fort. Als er endet und Wallace endlich antworten lässt, weist der lediglich lakonisch darauf hin, dass, wie die Fragen des Mr Crawfurd deutlich zeigen, die Einzelheiten komplex seien und sein, Wallace’, Vortrag und Beitrag ohnehin schon viel zu lang geworden sei; ein zweiter sei nötig, noch weitere Details darzulegen.
»Sagen Sie also zu, einen solchen Beitrag zu liefern?«, fragt Crawfurd sofort zurück. »Gewiss doch«, verspricht Wallace; darin wolle er auch ausführlich darlegen, wie es sich mit den Unterschieden der menschlichen Rassen auf einzelnen Inseln verhalte; und natürlich ergründen, warum die Grenzlinie zwischen den Tieren deutlich weiter westlich verläuft als die zwischen den Menschengruppen. Nur so viel will er hier andeuten, dass der Mensch von Natur aus ein Wanderer sei. »Man is a migratory animal«, betont Wallace. Insbesondere in der in Rede stehenden Region haben die Einheimischen gelernt, mit Kanus und Auslegerbooten zu segeln und selbst gegen Meeresströmungen sich fortzubewegen. So träfe man auf die Zeugnisse eines ständigen Kommens und Gehens bei den Menschen in der Inselwelt des Archipels.
Endlich schließt der Präsident die Sitzung mit wohlwollenden Worten: »Sie
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