Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
ausführlichen Behandlung dieser Faunen-Zusammenhänge wird Wallace nicht nur zum Namensgeber der wohl berühmtesten Faunengrenze der Erde. Mit seinen Aufsätzen und späteren Büchern zur zoologischen Geographie schafft er eine neue Perspektive, mit der Naturforscher seitdem auf die Welt schauen. Das ist drei seiner Werke geschuldet, die er in engem zeitlichen Abstand 1869, 1876 und 1880 herausbringt; alle drei sind Meisterstücke mit jeweils eigenem Charakter und eigener Bedeutung. Während das Erste jener mit wichtigen biologischen Einzelbeobachtungen gespickte Reisebericht aus dem »Malayischen Archipel« ist, der bis heute noch gelesen wird, begründet Wallace mit dem Zweiten und Dritten die Wissenschaftsdisziplin der Biogeographie. Kurios, dass just diese beiden letzten Werke heute kaum noch gelesen werden.
Fraglos ist Wallace’ »Malayischer Archipel« sein bekanntestes Buch. Es erscheint am 9. März 1869 in zwei Bänden mit 1500 Exemplaren. Da die Erstauflage schnell ausverkauft ist, folgt bereits im Oktober desselben Jahres eine zweite Auflage mit 750 Exemplaren; ebenso Übersetzungen, darunter noch im gleichen Jahr ins Deutsche und dann ins Holländische. Auszüge daraus werden in Magazinen gedruckt und bis heute immer wieder in Lese- und anderen Reisebüchern eingestreut. Es ist nicht nur erklärtermaßen das Lieblingsbuch großer Autoren wie Joseph Conrad, sondern wird auch kommerziell Wallace’ erfolgreichstes Buch. Bis 1900 erlebt es zehn Auflagen und ist bis heute das Standardwerk der reisenden Naturforscher in dieser Region.
Seine besondere Bewunderung für Darwin (mit dessen »Voyage of the Beagle« sein eigenes Reisewerk vielfach verglichen wird) drückt Wallace dadurch aus, dass er diesem nun mit wohlgesetzten Worten den »Malayischen Archipel« widmet. »Dem Verfasser der ›Entstehung der Arten‹, nicht nur als Zeichen meiner persönlichen Wertschätzung und Freundschaft, sondern auch als Ausdruck meiner tiefen Bewunderung für sein Genie und seine Werke.« Der so Geehrte schreibt nach der Lektüre in seinem Dankesbrief, es sei erstaunlich, dass Wallace überhaupt lebend zurückgekehrt ist, angesichts aller überstandenen Gefahren, angefangen bei den Krankheiten bis hin zu unsicheren Fahrten in kleinen offenen Booten zu den abgelegensten Gewürzinseln. Außerdem: »Ihre Beschreibungen, wie Sie diese Schmetterlinge fangen, haben mich regelrecht neidisch gemacht«, so Darwin, »keine Frage, dass Sammeln der einzig wahre Sport auf der Welt ist.«
Darwin hat auch insofern Anteil an der Entstehung des Werkes, als er Wallace wiederholt dazu ermutigt und gedrängt hat. Wallace, der die meiste Zeit davon mit der Auswertung seiner Sammlung beschäftigt ist, braucht sechs Jahre für sein »travelog«, den er im Frühjahr 1864 beginnt und mit dem er sich lange schwertut. Erst nach der Heirat mit Annie Mitten zwei Jahre später geht er mit neuem Elan ans Werk. Doch wir dürfen nicht vergessen, wie viele andere Arbeiten Wallace ebenfalls in dieser Zeit verfasst, durch die er immer wieder abgelenkt wird.
Das Werk ist nicht streng chronologisch gegliedert; wegen der vielen doppelten Wege und sich überkreuzenden Etappen gliedert Wallace es in fünf Abschnitte, nach den großen Regionen und Inselgruppen im Archipel. Für seine Schilderung nutzt er seine abgegriffenen Reisetagebücher mit dem dunkelvioletten Einband, in denen er viele Episoden und Gedanken festgehalten hat. Jetzt zahlen sich die Anstrengung und große Selbstdisziplin aus, mit der er beinahe jeden Tag – gleichgültig wie anstrengend dieser Tag im Gelände auch gewesen sein mag – seine Einträge gemacht hat. Dabei sind die Einträge, wie ein Blick in die heute bei der Linnean Society in London verwahrten Tagebücher zeigt, stets in sorgfältiger und gut lesbarer Tintenschrift vorgenommen, unterbrochen nur durch wenige Ausstreichungen und Korrekturen. Wer sie heute liest, wird feststellen, wie wenig sich jene Prosa, die er bereits im Feld unterwegs im Archipel geschrieben hat, von jener Darstellung unterscheidet, die er dann mit reflektierendem Abstand verfasst. Und bis heute ist bei der Lektüre noch immer unmittelbar jener Enthusiasmus präsent, mit dem Wallace seine Abenteuer übersteht, ebenso jene aufregende Atmosphäre, erstmals derart viele Wunder der Natur zu erleben und zu entdecken. Wallace ist der geborene Schriftsteller, und hier spricht er direkt zu uns.
Nur über jenen Wettlauf mit Darwin um die Entdeckung der
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