Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
erheblichem Maße um seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sorgen. Eher zufällig und über eine gemeinsame Bekannte erfährt Charles Darwin von den prekären Verhältnissen Wallace’ – und setzt sich umgehend und wirkungsvoll dafür ein, Wallace eine staatliche Pension (über die Aufnahme in die sogenannte »Civil List«) zu verschaffen. Thomas Henry Huxley ist Darwin dabei behilflich, Hooker dagegen hält sich auffällig zurück. Doch einmal mehr ist es dasselbe Schema wie einst beim delikaten Arrangement: Erneut tut sich eine kleine distinguierte Gruppe höchst einflussreicher Männer zusammen, um ihr Ziel zu erreichen. Diesmal funktioniert das »old boy sys tem« zu Wallace’ Nutzen. Anfang 1881 teilt man ihm mit (er erfährt es just an seinem 58. Geburtstag), dass er eine jährliche Pension von 200 Pfund erhalten wird, sogar rückwirkend ab dem Vorjahr. Vertrieben sind die Sorgen, die ihn während der vorangegangenen Monate und Jahre gequält haben; und er wird immerhin weitere dreiunddreißig Jahre in finanzieller Sicherheit leben können.
Im darauf folgenden Jahr stirbt Charles Darwin. Sein Begräbnis wird zum nationalen Ereignis, als seine Freunde darauf bestehen, ihn in der Westminster Abbey beizusetzen. Es muss einem wie eine besondere Pointe vorkommen, dass Wallace – der gesellschaftliche Außenseiter – bei den Vorbereitungen dazu anfangs glatt übersehen wird. Im letzten Moment kommt jemand auf den Gedanken, auch ihn zu beteiligen. Und so ist Alfred Russel Wallace im April 1882 dann doch noch einer der Sargträger, als Darwin in London neben Isaac Newton beigesetzt wird. Es ist durchaus ein würdiges Ende der persönlichen Beziehung zweier großer Männer der britischen Naturforschung.
»Darwinismus«, England 1889: Als erster Darwinist wird Wallace die Stafette weitertragen und dabei die Selektionstheorie untrennbar und auf ewig mit Darwins Namen verbinden. Zwar wurde der Begriff »Darwinism« bereits im April 1860 von Huxley geprägt (dieser hat nicht nur Wallace und dessen Demarkationslinie mitten im Archipel verewigt, von ihm stammt zudem auch der oft Darwin zugeschriebene Begriff des »missing link« für Übergangsformen zwischen Großgruppen von Organismen, etwa Fischen und Amphibien oder Reptilien und Vögeln). Er tauchte dann 1865 auch in einer Publikation auf. Doch erst das Buch von Wallace führt letztlich zur heute weltweiten Verbreitung.
Im Mai 1889 erscheint Wallace’ » Darwinism – An Exposition of the Theory of Natural Selection« (1891 auch auf Deutsch übersetzt). Es ist eine zeitgemäße Darstellung und Verteidigung der Selektionstheorie. Und so anspruchsvoll einst Darwins »Entstehung der Arten« für die gewesen sein mag, die es wirklich gelesen haben, so klar und einfach, dabei sehr überzeugend, ist nun Wallace’ Evolutionsbuch. Es ist das unmittelbare Ergebnis einer zehnmonatigen Vortragstour von Oktober 1886 bis August 1887 durch die Vereinigten Staaten und Kanada. Diese wird um eine Einladung an das renommierte Lowell Institute in Boston herum arrangiert, wo Wallace eine Vortragsreihe zur organismischen Evolution unter dem Titel »The Darwinian Theory« hält. Wallace verbringt die Hälfte seiner Zeit in Nordamerika an der Ostküste; New York, Boston, Washington. Er besucht Museen, Bibliotheken und Akademien, erfreut sich der Treffen und Unterhaltungen mit amerikanischen Wissenschaftlern. Dann geht es hinüber nach San Francisco; er besucht den Yosemite Park und Nevada, bevor er sich via Chicago zurück nach Quebec begibt, wo er sich einschifft.
Sicherlich auch dieser Entstehung aus Vortragsskripten geschuldet, ist Wallace’ Buch eine brillante und verständliche Darstellung, mit einer Fülle von Beispielen und Begründungen. Wallace geht darin zudem weit über das hinaus, was Darwin je geschrieben hat, nicht nur bezüglich der Abstammung der Arten und der Wirkung natürlicher Selektion. Hier geht es um spezielle Fragen, wie etwa zur Schutz- und Tarnfärbung bei Tieren und Pflanzen im Zusammenhang mit der von seinem Freund Bates viel beachteten Mimikry, um Anpassung und die Bildung neuer Arten (hier erkennt Wallace, dass dazu reproduktive Isolation notwendig ist) im Zusammenspiel mit der Kolonisierung von Kontinenten und Inseln.
In Anerkennung dieser gelungenen Ausarbeitung der Selektionstheorie wird Wallace 1892 auf Vorschlag von Joseph Dalton Hooker, der inzwischen Direktor des Botanischen Gartens in Kew ist, »Fellow« und Mitglied der Royal Society
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