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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Als der englische Sozialphilosoph John Stuart Mill jenes Abschlusskapitel liest, ist er beeindruckt davon, wie wohlwollend Wallace die Organisation jener vermeintlich »unzivilisierten« Völker schildert (der indigenen Menschen, wie wir heute sagen würden). Und es ist durchaus eine Koinzidenz und Kuriosität ganz eigener Art, wenn der renommierte Evolutionsbiologe Jared Diamond, der ähnlich Wallace auf der Jagd nach Vögeln Jahre seines Lebens bei eben solchen indigenen Stämmen etwa in Neuguinea gelebt und geforscht hat, Ende 2012 sein Buch »Vermächtnis« vorstellt, in dem er ganz im Sinne und Geiste Wallace’ beschreibt, was wir – so der Untertitel und Tenor – von traditionellen Gesellschaften lernen können. Hier hat Alfred Russel Wallace eine Diskussion vorweggeahnt und -genommen, die offenbar wert ist, weit über ein Jahrhundert später wieder aufgenommen zu werden.
    Landverstaatlichung – Wallace als Sozialreformer: Nach der Lektüre von Wallace’ Buch bittet John Stuart Mill ihn um ein Treffen, bestärkt ihn in solchen politischen Meinungsäußerungen. Von 1870 an wird sich Wallace, dadurch offenbar ermutigt, dann tatsächlich vermehrt gesellschaftlichen und sozialen Fragen zuwenden, sich immer wieder in politische Debatten einmischen – und schließlich in einer Reihe von Büchern (die im Einzelnen zu besprechen den Rahmen dieses Buches sprengen würde) selbst Utopien über demokratische und soziale Staatsformen entwickeln.
    Mit der Zeit wird Wallace dabei zu einem der prominentesten Kritiker bestehender Besitzverhältnisse – zu jemandem, den wir heute durchaus als Sozialisten bezeichnen würden. Doch geht er auch hier seinen eigenen Weg; er bleibt unabhängig und wird nicht Parteigänger oder Anhänger einer bestimmten Theorie oder Schule. Mit einer Ausnahme: als er nämlich Vorsitzender einer Kampagne für die Verstaatlichung von Grundbesitz wird. Zu Zeiten Wallace’ gibt es in England eine starke Bewegung der sogenannten »Land Nationalisation«, wie dort eine Form der Enteignung von Grundbesitz heißt. Auch Wallace ist der Ansicht, dass Privatbesitz an Grund und Boden die Wurzel aller sozialen Ungleichgewichte ist, und erhebt radikale Forderungen. Auf Einladung ebenjenes John Stuart Mill wird Wallace Mitglied in der Land Tenure Reform Association, einer Reformvereinigung für Landbesitz. Als sich später die Land Nationalisation Society als eine Gesellschaft zur Landverstaatlichung gründet, wird Wallace 1881 ihr Vorsitzender und bleibt es für drei Jahrzehnte bis zu seinem Tode.
    Er wird einer der energistischen Fürsprecher für Landreformen in England und Irland und veröffentlicht 1882 – wie sollte es auch anders sein – das Standardbuch der Bewegung. »Land Nationalisation. Its Necessity and its Aims« ist nicht sein erfolgreichstes, aber immerhin ein in zehn Auflagen gedrucktes Buch. Im Jahr darauf legt Wallace mit der Schrift »The ›Why‹ and ›How‹ of Land Nationalisation« nochmals nach. Das Credo der Landreform-Bewegung: »Land is not, and cannot be property in the sense that moveable things are property«. Ihr eigentliches Ziel ist dabei die Wiedererschaffung des englischen Bauernstandes. Dieser wurde um 1850 vernichtet und dies führte dazu, dass Massen von Industriearbeitern in oft unwürdigen, elenden und bedrängten Verhältnissen in den Städten zu leben beginnen. Das Problem ist eine englische Besonderheit, die keine Entsprechung in Deutschland hat, und sei daher hier nur kurz angerissen.
    In England hat man im 19. Jahrhundert dafür gesorgt, dass beinahe das gesamte Kulturland der Insel in die Hände einiger weniger Großgrundbesitzer überging, die es einzäunen und es zu betreten verbieten konnten. »Betreten verboten«. Was Wallace und andere jedoch am meisten ärgert: Die neuen Besitzer nutzen ihr Land viel weniger, als möglich wäre; nur ein geringer Teil ist für Getreideanbau vorgesehen, dagegen wird der größere Teil zur Viehweide. Denn für diese Form der Bewirtschaftung sind nur wenige Menschen nötig. Die bis dahin freien Bauern fanden so nicht einmal mehr als Pächter Beschäftigung, während die adeligen Landbesitzer sich Vergnügungen wie der Jagd und anderem Zeitvertreib widmeten. Wallace hat diese Missstände und die aufständischen walisischen Bauern einst unmittelbar selbst erlebt. Ohne Zweifel werden hier viele Eindrücke seiner Jugend wieder lebendig, die den damals Fünfzehnjährigen für die Thesen des Reformers und Sozialisten Robert Owen

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