Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
Vom Netzwerk:
Diese Leute machen anderen den Vorwurf, Schwärmer zu sein, nur weil diese zu denken wagen, dass es auf der Welt vielleicht etwas Besseres gibt, als Geld zu scheffeln. Es kommt mir so vor, als stünde die Macht oder Fähigkeit eines Menschen, Reichtum anzuhäufen, in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu seinem Reflexionsvermögen und in direkter Beziehung zu seiner Schamlosigkeit. Vielleicht ist es in Ordnung, reich zu sein, aber es ist bestimmt nicht gut, reich zu werden oder immer nur dem Geld nachzujagen.«
    Ehrungen und die letzten Jahrzehnte: Zu dieser zutiefst zeitlosen Einsicht in jenem Brief setzt Wallace für sich persönlich noch hinzu: »Und nur wenige Menschen sind schlechter disponiert, reich zu werden, als ich es bin.« Reich wird Wallace tatsächlich nicht, aber er lebt ein überaus erfülltes Leben. Nachdem sein Buch über Darwinismus erschienen ist, zieht er 1889 nochmals um; diesmal nach Parkstone in Dorset. Er und Annie sehnen sich nach dem milderen Klima im Süden Englands und einem sonnigeren Garten. Auch als bereits über Siebzigjähriger bleibt er aktiv, hält 1897 eine Vorlesungsreihe in Davos in der Schweiz. Passend kurz vor der Jahrhundertwende lädt man ihn hier als Biologen ein, eine Geschichte der großen wissenschaftlichen Entdeckungen seines Jahrhunderts auch in der Physik, Chemie und der Astronomie vorzustellen. Wallace wählt einen programmatischen und zugleich optimistischen Titel und entwickelt daraus das 1898 erscheinende Buch »The Wonderful Century. Its Successes and its Failures«. Unter den achtzehn bedeutenden Gedanken und neunzehn großen Erfindungen, die der Menschheit gelungen sind, führt Wallace neben der Zell-Theorie, der Perioden-Tabelle und der Atom-Theorie natürlich auch Darwins (nicht seine!) Selektionstheorie und Lyells geologische Evolution als wichtige theoretische Fortschritte auf. Und er betont, in welch »wundervollem Jahrhundert« er leben durfte. Denn, so Wallace, die bedeutenden Erkenntnisse hätten den Menschen mündig gemacht, frei von Aberglaube und Furcht, frei von den Dogmen der Kirche.
    Er wäre nicht Wallace, würde er nicht bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, dass es indes nicht nur wissenschaftliche Fortschritte, sondern auch Verschlechterungen gegeben hat. Insbesondere sieht er eine große Diskrepanz zwischen den wissenschaftlichen Leistungen und den sozialen Reformen. Der Mensch, so argumentiert Wallace, habe in ethischer Hinsicht den Sinn seiner Bestimmung noch nicht erreicht. Dabei sei das Ziel klarer denn je: Menschen und Völker müssten hingeführt werden zur Erkenntnis der Wahrheit und Schönheit, wozu wiederum Freiheit und Gerechtigkeit die Voraussetzungen seien. Um die Jahrhundertwende vereint Wallace zudem einen durchaus zeittypischen Glauben an ständigen Fortschritt mit dem Gefühl, dass auch ein harmonisches Zusammenklingen des Menschen und der Natur unverzichtbar ist.
    Seinen ganz persönlichen Rückblick auf das »wundervolle Jahrhundert« unternimmt der bereits Achtzigjährige 1905 mit seiner Autobiographie »My Life. A Record of Events and Opinions«. Darin lässt Wallace in zwei dicken Bänden mit jeweils mehr als vierhundert Seiten sein Jahrhundert der Wanderschaft, der wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber auch der persönlichen Bekenntnisse und Bekanntschaften Revue passieren. Es ist ein spannendes Zeitdokument; aber auch ein Zeugnis davon, dass für ihn die Ternate-Episode und sein Manuskript an Darwin inzwischen eher zu einer Randnote seines reichen Lebens geworden sind.
    So mag es vielleicht ganz in seinem Sinne sein, was uns heute als eine – wenngleich unabsichtliche – Ironie der Geschichte erscheint. Ausgerechnet ihm, Wallace, erkennt die Royal Society im Jahre 1890 ihre erstmals verliehene »Darwin Medal« zu; überdies, wie in einem historischen Briefdokument nachzulesen ist, ausdrücklich für seine »independent origination of the Theory of the Origin of Species by Natural Selection«. Auch eine weitere Ehrung erfährt er jetzt im hohen Alter. Anlass ist 1908 der fünfzigste Jahrestag der gemeinsamen Vorstellung von Darwins und Wallace’ Aufsätzen bei der Linnean Society. Bei dieser Gelegenheit werden sechs der sieben Medaillen in Silber verliehen, unter anderen an Joseph Dalton Hooker, Francis Galton und Ernst Haeckel. Die einzige »Gold Medal« aber geht an Alfred Russel Wallace. Der meidet üblicherweise akademische Zeremonien, doch diesmal kommt er aus Dorset nach London und hält eine

Weitere Kostenlose Bücher