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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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hoffnungsloser Barbarei verurteilt sind; während es auf der anderen Seite, wenn zivilisierte Menschen jemals diese fremden Länder erreichen und moralisches, intellektuelles und physisches Licht in die Schlupfwinkel dieser Urwälder tragen, sicher ist, dass sie die in schönem Gleichgewicht stehenden Beziehungen der organischen Schöpfung zur unorganischen stören werden, sodass diese Lebensformen, deren wunderbaren Bau und deren Schönheit der Mensch allein imstande ist zu schätzen und sich ihrer zu erfreuen, verschwinden und schließlich aussterben. Diese Betrachtung muss uns doch lehren, dass alle lebenden Wesen nicht für den Menschen geschaffen wurden.«
    Vom »großen Organisator« des Lebens – Wallace’ holistisches Weltbild: Jetzt, weit in seinen Achtzigern, folgt Wallace einer uralten Strömung im Geistesleben der westlichen Welt, die sich eine Existenz im Universum nicht ohne eine auf den Menschen gerichtete Absicht erklären kann. In seinem im Dezember 1910 erscheinenden Buch »The World of Life. A Manifestation of the Creative Power, directive Mind, and ultimate Purpose« betont Wallace just diese absichtsvolle Natur des Universums, eingerichtet und kontrolliert von einem mysteriös bleibenden Organisator, einem »great insigator and director of life«, den man nicht weiter kennt. In ebenso teleologischer wie theistischer Sichtweise platziert er die Welt im Zentrum des Universums, eine Bühne für die Erschaffung des Menschen als Krone der Schöpfung. In schwärmerischer Weise ordnet Wallace alle seine Ideen zu einer großen Einheit, sieht das sich entwickelnde Leben vom Urtier her nur mehr als die notwendige Vorbereitung für die Entstehung des Menschen. Dieser, so ist Wallace überzeugt, unterscheidet sich von allen anderen Lebewesen, nicht zuletzt durch seine Erkenntnis und Moral. Und er betont, dass diese Erkenntnis von erheblichem Einfluss auf unsere geistige und moralische Existenz sei; denn daraus ergebe sich zugleich der Sinn des Lebens für jeden Einzelnen, der die Aufgabe habe, alle Kräfte der Natur, die für ihn erschaffen sei, dienstbar zu machen. Zugleich verbindet Wallace mit diesen Überlegungen große Hoffnungen für die Zukunft der Menschheit, ihre moralische Erziehung und Weiterentwicklung, bei der er gerade der Bildung von Frauen eine besondere Rolle zugedenkt. Ein weiter Bogen, den er da spannt.
    Keine Frage, dass Wallace’ Geist auch große Kreise zieht. Er dokumentiert in »The World of Life« nicht nur sein buchstäblich universelles Interesse und seine Fähigkeit zur beinahe ebenso umfassenden Betrachtung. Das Buch weist ihn zugleich als einen holistischen – einen ganzheitlichen – Denker aus, wie wir heute sagen würden. Wallace erkennt, wie alles mit allem zusammenhängen könnte. Jenes »grand scheme«, dem er sein Leben lang bei allen Dingen auf den Grund gehen wollte, zeichnet sich für ihn deutlicher als jemals zuvor ab. Sein Werk, das indes heute kaum noch beachtet wird, weist ihn nichtsdestotrotz als einen vielseitigen Beobachter und großen Denker aus; er entwickelt darin Ideen und Überlegungen, die viele seiner Zeitgenossen sicher überfordert haben dürften; unabhängig davon, wie realistisch uns diese heute bei der Lektüre erscheinen mögen.
    Wenigstens einige seiner heutigen Leser mit ähnlich weitgespanntem Denken sind gerade von diesem Werk Wallace’ begeistert. Sie spricht an, wie er in seiner Darstellung des Universums zudem unser Bewusstsein, unsere Gesellschaft und die Gesamtheit unseres lebenden Planeten mit all ihren komplexen und eng verzahnten Vernetzungen und gegenseitigen Bedingtheiten einschließt. Das jedenfalls meinte unlängst der australische Zoologe und Umweltschützer Tim Flannery, neuerdings selbst auch so ein Holistiker. Auch er ist überzeugt davon, dass hier das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Flannery hält Wallace mithin nicht nur für den »größten holistischen Denker seiner Epoche«, sondern dessen »World of Life« für sein bedeutendstes, weil visionärstes Werk; es lege die Grundlage für die Astrobiologie und nähme die Überlegungen eines James Lovelock und dessen spätere Gaia-Theorie vorweg. Es ist in der Tat ein leidenschaftliches Plädoyer für umweltpolitische und soziale Gerechtigkeit. Wallace brandmarkt darin die Luftverschmutzung der damaligen britischen Städte und eine »kriminelle Apathie« der Industriellen, Politiker, der Gerichte und der Wissenschaftler; er setzt sich für die Arbeiter ein, die

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