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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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domestizierter Tiere ist dieser, dass das Wohlbefinden und sogar die Existenz der Ersteren auf der vollen Ausübung und dem gesunden Zustand aller ihrer Sinne und physischen Kräfte beruhen, während diese bei den Letzteren nur teilweise geübt werden und in einigen Fällen absolut unbenutzt sind. Ein wildes Tier hat nach jedem Bissen Nahrung zu suchen und selbst darum zu arbeiten – das Gesicht, das Gehör, den Geruch bei dem Suchen danach und zur Vermeidung von Gefahren, zur Verschaffung von Schutz vor der Unbeständigkeit der Jahreszeiten und zur Unterhaltung und Sicherstellung seiner Nachkommen zu üben. Da ist kein Muskel seines Körpers, der nicht zu täglicher und stündlicher Tätigkeit berufen ist; da ist kein Sinn und keine Fähigkeit, welche nicht durch beständige Übung gekräftigt wird. Das domestizierte Tier auf der anderen Seite wird mit Nahrung versehen, wird geschützt und oft eingesperrt, um es gegen die Wechselfälle der Jahreszeiten zu wahren, wird sorgfältig vor den Angriffen seiner natürlichen Feinde behütet und zieht selten seine Jungen ohne menschliche Hilfe auf. Die Hälfte seiner Sinne und Fähigkeiten ist ganz nutzlos; und die andere Hälfte wird nur gelegentlich schwach geübt, während selbst sein Muskelsystem nur unregelmäßig zur Tätigkeit gelangt.
    Wenn nun eine Varietät bei einem solchen Tier entsteht, welche vermehrte Kraft oder erhöhte Fähigkeit in irgendeinem Organ oder irgendeinem Sinn besitzt, so ist ein solcher Zuwachs total nutzlos, er wird nie zur Tätigkeit berufen und kann selbst existieren, ohne dass das Tier überhaupt sich je dessen bewusst wird. Bei den wilden Tieren hingegen werden alle Fähigkeiten und Kräfte für die Bedürfnisse des Lebens in volle Tätigkeit gesetzt, jeder Zuwachs wird sofort nutzbar, wird durch die Übung gekräftigt und muss selbst leicht die Nahrung, die Gewohnheiten und die ganze Ökonomie der Rasse modifizieren. Es ist wie ein neues Tier, wie eines mit überlegenen Kräften, welches notwendigerweise an Zahl zunehmen und die tiefer stehenden überleben muss.
    Dann haben bei den domestizierten Tieren alle Abweichungen eine gleichmäßige Chance zur Fortdauer; und jene, welche ein wildes Tier schließlich unfähig machen würden, mit seinen Genossen in die Schranken zu treten und sein Leben zu erhalten, sind kein Nachteil irgendwelcher Art in dem Zustand der Domestikation. Unsere schnell gemästeten Schweine, unsere kurzfüßigen Schafe, unsere Kropftauben und unsere Pudel könnten im natürlichen Zustand nie ins Leben getreten sein, weil der allererste Schritt nach solchen niedriger stehenden Formen hin zu dem rapiden Aussterben der Rasse geführt haben würde; noch weniger könnten sie jetzt im Wettkampf mit ihren wilden Verwandten existieren. Die große Schnelligkeit, aber geringe Ausdauer des Rassepferdes, die ungelenke Kraft des Gespanns des Landmannes würden im natürlichen Zustand beide nutzlos sein. Wenn solche Tiere auf den Pampas wieder verwilderten, so würden sie wahrscheinlich bald aussterben oder unter günstigen Bedingungen allmählich jene extremen Eigenschaften verlieren, welche nie zur Tätigkeit berufen wären, und nach einigen wenigen Generationen auf einen gewöhnlichen Typus zurückfallen, welcher derjenige sein müsste, in dem die verschiedenen Kräfte und Fähigkeiten so proportioniert zueinander sind, dass sie sich am besten eignen, Nahrung zu verschaffen und Schutz zu sichern, – jener, welcher das Tier bei der vollen Tätigkeit eines jeden Teils seiner Organisation allein weiter zu leben befähigt. Domestizierte Varietäten müssen, wenn sie verwildern, auf einen Zustand, welcher dem Typus des ursprünglichen wilden Stammvaters nahesteht, zurückfallen oder ganz und gar aussterben. Anmerkung
    Wir sehen also, dass keine Schlüsse in Beziehung auf Varietäten im natürlichen Zustand aus den Beobachtungen jener, welche unter domestizierten Tieren vorkommen, gezogen werden können. Diese beiden sind einander in jeglicher Beziehung so sehr entgegengesetzt, dass das, was auf die einen seine Anwendung findet, fast sicher nicht auf die anderen anzuwenden ist. Domestizierte Tiere sind abnorm, unregelmäßig, künstlich; sie sind Abweichungen unterworfen, welche nie im natürlichen Zustand vorkommen und nie vorkommen können: Ihre Existenz selbst ist ganz und gar von menschlicher Sorgfalt abhängig, so weit weichen viele von ihnen ab von jener richtigen Proportion der Fähigkeiten zueinander, von jenem wahren

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