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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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eigene Bücher, die Robert meist selbst verfasst, aus verschiedenen Wissensgebieten und stets von allgemeinem Interesse, wie etwa schottische Geschichte und Folklore; sie geben sogar ein eigenes Magazin heraus. Auf diese Weise spielen die Brüder Chambers im intellektuellen Leben Edinburghs dieser Zeit durchaus eine nicht unerhebliche Rolle.
    Robert Chambers beginnt sich immer mehr für Geologie und Biologie zu interessieren und eignet sich im Selbststudium die wichtigsten Grundkenntnisse dieser Disziplinen an. Obgleich ihm jegliche praktische Erfahrung mit eigener Forschung fehlt, ist er fasziniert vom Gedanken an eine Veränderlichkeit der Arten, den er etwa den Schriften von Jean-Baptiste de Lamarck entnimmt und der im Gegensatz zum biblischen Verständnis steht. Zweifellos mit dem richtigen Riecher des Verlegers für ein kontroverses Thema, macht sich Robert Chambers selbst ans Werk. Anonym, um sein Verlagsgeschäft nicht zu beschädigen, stellt er in den »Vestiges« seine krude Version der Idee eines evolutiven Wandels der Arten vor. Unglücklicherweise vermengt er in seinem Werk visionär formulierte Überlegungen mit fehlerhaft wiedergegebenen Fakten und Zusammenhängen – ein Dilettant eben, aber einer immerhin mit der Ahnung der richtigen Idee und dem Mut, diese kundzutun. Nach Chambers’ Vorstellung von Evolution sollen Veränderungen der Umwelt bei sich entwickelnden Embryonen bewirken, dass neue Typen von Lebensformen entstehen; nicht allmählich und langsam (wie später bei Wallace und Darwin), sondern schubweise und in schnellen Schritten oder gar großen Sprüngen. In jedem Fall aber, so ist Chambers überzeugt, bewirken Naturgesetze, dass sich Arten entwickeln und verändern. »Gestehen wir zu, dass das System des Universums durch natürliche Gesetze bestimmt wird, so folgt daraus, dass auch die Entstehung der Arten durch ähnliche Gesetzmäßigkeiten geregelt ist.«
    Chambers’ Erklärungsanspruch ist dabei nicht eben bescheiden für jemanden, der gerade die ersten Kenntnisse einer höchst komplexen Materie erworben hat. Er sei nur, so formuliert er eingangs seines Buches, »eine Privatperson mit limitierten Möglichkeiten zu eigener Forschung«. Doch wolle er – besser als Lamarck dies getan habe – all jene Fakten zusammentragen, die die Entstehung und Veränderung des Lebens auf der Erde belegten; vor allem aber wolle er diese mit den Naturgesetzen eines göttlichen Universums verknüpfen. Kein Zweifel: Hier ist kein Ketzer am Werk. Vielmehr steht für Chambers fest, dass es einen allmächtigen Gott gibt; allerdings habe dieser nicht jede Art für sich und keineswegs unveränderlich erschaffen. Das aber war damals nicht nur religiöses, sondern auch wissenschaftliches Dogma. So hat etwa der britische Philosoph William Whewell erst kurz zuvor betont: »Arten haben eine reale Existenz in der Natur, und eine Transmutation von einer zur anderen gibt es nicht.« Andere, allen voran Naturforscher, bezweifeln dieses Dogma längst. Der bekannteste unter ihnen, jener Jean-Baptiste de Lamarck, hatte bereits vor Jahrzehnten postuliert, es gäbe in der Natur sehr wohl einen Wandel der Arten. Wie dabei jedoch immer wieder auch neue Arten entstehen, blieb unklar. Lamarcks Vorschlag, der Gebrauch oder Nichtgebrauch eines Organs sei die Ursache für evolutive Veränderungen und der Ursprung neuer Arten, konnte allgemein nicht wirklich überzeugen – was die Arten-Theorie letztlich in den Augen nicht nur seiner Zeitgenossen scheitern ließ und den Wandel des Lebens lange zur bloßen Spekulation machte. Auch Wallace urteilt über Lamarck: »Seine Ansichten sind völlige Mutmaßungen, durch keine einzige Tatsache unterstützt.« Statt Evolution ohne Ende, war Lamarck erst einmal das vorzeitige Ende des evolutionären Denkens.
    Allerdings überzeugte lediglich jene Erklärung nicht, die Lamarck propagierte. Dass die Erde im Wandel begriffen sein könnte und biologische Arten einander im Laufe der Erdgeschichte ablösten, diese Idee wird dagegen zur Zeit von Wallace und Darwin von immer mehr Forschern und Philosophen diskutiert. Dennoch glauben viele, jede Art könne dabei für sich unveränderlich sein; statt sich zu wandeln und zu verändern, sollten Arten stets aufs Neue entstehen, zeit ihres Lebens konstant bleiben, dann aber aussterben und durch Neuschöpfungen abgelöst werden. Auch Robert Chambers glaubte nicht an die Ideen Lamarcks. Ganz ausdrücklich stützt er seine eigene Theorie nicht auf die des

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