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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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könnte. Dass es universell wirksame Gesetze der Individualentwicklung sind, galt zu dieser Zeit zwar mehr als unsicher und höchst spekulativ; mithin blieb die eigentliche Frage, wie es zu einer Veränderung von Arten tatsächlich kommt, bei Chambers ebenso wie bei Lamarck noch ungeklärt. Doch Chambers’ Evolutionsidee setzt Wallace gewissermaßen auf die Schiene, regt sein Interesse an und bringt ihn dazu, über dieses große ungelöste »Geheimnis der Geheimnisse« nachzudenken. »Ich glaubte damals bereits fest daran, dass ein umfassendes und gründliches Studium sämtlicher Naturerscheinungen am Ende zu einer Lösung des Rätsels führt«, schreibt Wallace sehr viel später über die Anfänge seines Denkens. Letztlich sind es also – neben Darwin und Humboldt – Chambers’ »Vestiges«, die ihn motiviert haben, in die Tropen zu reisen, um dort am Beispiel der unzähligen Lebensformen herauszufinden, wie sich Arten verändern; denn dass sie sich verändern, davon ist Wallace seit der Lektüre von Chambers’ Werk nun fest überzeugt. Wir werden später Gedanken und Formulierungen bei Wallace entdecken, die auf Chambers’ »Vestiges« zurückgehen, ohne dass ihm dann noch – als er bereits erste eigene Erfahrungen durch seine Feldforschungen gesammelt hat – jene gravierenden Fehler in der Beurteilung der Fakten unterlaufen wie dem weniger kundigen anonymen Autor.
    Chambers’ Buch liest sich trotz all dieser Irrtümer gut – und es verkauft sich noch besser; die »Vestiges« erleben in rascher Folge mehrere Auflagen. Unter dem Titel »Natürliche Geschichte der Schöpfung« wird die sechste Auflage 1851 von Karl Vogt auch ins Deutsche übersetzt. Mit 24000 verkauften Exemplaren ist das Buch eines der erfolgreichsten seiner Zeit. Erst als Darwin 1859 sein epochales Werk über »Die Entstehung der Arten« veröffentlicht (von dem sich zu seinen Lebzeiten sogar 40000 Stück verkaufen und es zu einem damals außergewöhnlichen auch merkantilen Erfolg für ein Sachbuch machen), geraten die »Vestiges« immer mehr in Vergessenheit; als fehlerhaft und überholt wird Chambers’ Buch bald allenfalls noch für Wissenschaftshistoriker interessant sein. Doch unterschätzen wir nicht, welche Bedeutung es seinerzeit für Alfred Russel Wallace hat. Denn das Buch bereitet nicht nur die viktorianische Wissenschaft und Öffentlichkeit auf den Evolutionsgedanken vor, wie der Historiker Joel Schwartz herausgearbeitet hat. Zwar lässt es Charles Darwin zögern, bereits zu einem früheren Zeitpunkt seine eigene Theorie zum Wandel der Arten herauszuposaunen. Doch macht es den jungen Wallace schon im Jahr 1845 – und damit drei Jahre, bevor er England erstmals verlässt – zu einem überzeugten Evolutionisten. Wallace ist zu diesem Zeitpunkt so jung, wie Darwin es war, als dieser die Chance seines Lebens bekam, um mit dem Vermessungsschiff »Beagle« um die Welt zu segeln. Letztlich ist es dieser Robert Chambers, der Wallace damit fortfahren lässt, Sammlungen von Käfern und anderen naturkundlichen Objekten anzulegen, der ihn dann aber auch gezielt Fakten und Befunde sammeln lässt, um mit neuen Erkenntnissen diese Theorie zu überprüfen. Zu einer Zeit, als die einen weiterhin unbeirrt dem Schöpfungsglauben anhängen und von der Unveränderlichkeit der Arten überzeugt sind, die anderen Chambers’ Idee eher für ein höchst spekulatives philosophisches Konzept denn eine wissenschaftliche Theorie halten, ist Wallace aufgrund seiner Lektüre zeitgenössischer Arbeiten – und dabei spielen die »Vestiges« die zentrale Rolle – zum Jünger eines langsam reifenden Evolutionsgedankens geworden.
    Intermezzo, nochmals als Landvermesser, in Wales 1845 –1847: Wallace ist in dieser Zeit generell empfänglich für Neues – auch für weniger fundierte und unhaltbare Ideen. So begeistert er sich neben der Naturkunde für mentale Phänomene wie Hypnose. Als Mesmerismus bezeichnet ist sie eine Mode im viktorianischen England, die sich allgemein großer Aufmerksamkeit erfreut und die ihn in späteren Jahren nochmals beschäftigen wird. Wallace besucht Vorträge über solche psychischen Erscheinungen, die sich erst sehr viel später überzeugend durch Funktionen des menschlichen Nervensystems werden erklären lassen. Er entwickelt dabei ein Interesse, von dem seine Biographen glauben, dass es den Boden für seinen späteren Spiritualismus bereitet; und das offenkundig auf einige Züge in Wallace’ Charakter hinweist, genauer: jene

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