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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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radikalen französischen Atheisten und will seine auf keinen Fall mit dessen gleichgesetzt sehen. Daher stellt Chambers Überlegungen von einem »universal law of development« vor, einem allgegenwärtigen Naturgesetz der Entwicklung. Demnach verwandelten sich Arten unter dem direkten Einfluss der Umwelt und einer ihnen innewohnenden »Lebenskraft« während der Embryonalentwicklung nach und nach in andere Arten. Auf diese Weise habe sich alles Leben bis hin zum Menschen aus einfachen Formen entwickelt, glaubt Chambers. Der Allmächtige spiele dabei immer noch eine Rolle, indes nur mehr als Schöpfer im Hintergrund. Chambers formuliert also eine ähnliche Idee, wie sie mehr als anderthalb Jahrhunderte später von bibelgläubigen Verfechtern immer noch aufgegriffen wird, die aber aus naturwissenschaftlicher Sicht heute noch weniger haltbar ist als damals.
    Die Kritik verreißt Chambers’ Buch; es sei eine Mischung aus unbestrittenen Tatsachen, absurden Halbwahrheiten, gewagten Vermutungen und kühnen Schlussfolgerungen, so urteilt einer von ihnen. Auch Charles Darwin meint, die »Vestiges« seien zwar »ein ausgezeichnet geschriebenes Buch«, doch könne er ihm keineswegs zustimmen, denn »die Geologie macht einen schlechten Eindruck und die Zoologie ist noch weit schlechter«. Und der Anatom, Zoologe und spätere Darwin-Befürworter Thomas Henry Huxley (er wird gleichsam dessen Public-Relation-Mann), äußert mehrfach, Chambers’ Buch irritiere ihn und stoße ihn ab, allein durch »die ungeheure Unwissenheit und den gänzlich unwissenschaftlichen geistigen Zustand, den der Verfasser offenbart«. Huxley wird sich zeit seines Lebens nicht mit den »Vestiges« anfreunden können, Darwin macht später seinen Frieden mit dem Buch; für Wallace jedoch ist es wegweisend.
    Wallace’ frühe Begegnung mit dem Evolutionsgedanken: Wallace ist zu diesem Zeitpunkt noch weitaus weniger kenntnisreich als etwa Darwin oder Huxley, zudem jünger und leichter zu beeindrucken. Für ihn ist Chambers’ Buch beinahe so etwas wie eine Offenbarung. Er bezeichnet dessen Idee als eine geniale Hypothese. So ganz anders als Darwin verdammt er den anonymen Autor, ergo Chambers, nicht gnadenlos. »Ich betrachte das Buch nicht als eine hastige Verallgemeinerung, sondern als eine sinnvolle Spekulation, die zwar durch einige zutreffende Tatsachen und Analogien unterstützt wird, aber von zukünftigen Forschern noch durch weitere Fakten und zusätzliche Befunde zu beweisen bleibt«, schreibt er am 28. Dezember 1845 in einem denkwürdigen Brief an Henry Walter Bates. Und er schlägt vor, Bates solle unbedingt auch das gerade erschienene Bändchen »Lectures of Man« eines gewissen William Lawrence lesen. Denn, so ist Wallace bereits zu diesem Zeitpunkt überzeugt, die Idee von der Entstehung neuer Arten, wie sie Chambers vertritt, könne man sicher auch auf den Menschen und seine verschiedenen Formen übertragen. »Die Varietäten der menschlichen Rasse verdanken ihre Entstehung nicht einer äußeren Ursache, sondern sind das Ergebnis bestimmter Besonderheiten einiger Individuen, die sich in der ganzen Rasse ausgebildet haben.« Beinahe verwundert reibt man sich die Augen über das, was Wallace hier mit kaum mehr als einer gewissen theoretischen Kenntnis der Materie formuliert. Es ist keine vier Jahre her, dass er sich überhaupt mit Naturkunde zu beschäftigen begann; und schon spekuliert er angeregt über die Entwicklung von Arten – bis hin zum Menschen. Hier haben wir Wallace als frühen Evolutionisten, der an eine Idee glaubt, noch bevor er selbst dazu die entsprechenden Befunde und Fakten sammeln konnte. »Von der Zeit an, wo ich die ›Vestiges‹ gelesen habe, bin ich überzeugt gewesen, dass eine Entwicklung stattgefunden hat«, so Wallace später rückblickend. Kein Wunder mithin seine Bewunderung für das Werk Chambers: »Das Buch ist meiner Meinung nach immer unterschätzt worden.«
    Nachdem Wissenschaftshistoriker, angefangen beim Wallace-Biographen Lewis McKinney Ende der 1960er-Jahre, einige Mühe darauf verwandt haben, diese Zusammenhänge zu rekonstruieren und jenen wegweisenden Brief an Bates zeitlich einzuordnen, wissen wir heute, dass diese Briefstelle das erste freimütige Bekenntnis unseres Helden zur Theorie sich verändernder Arten ist. Wallace stört sich nicht an der allgemein vorherrschenden Kritik an den »Vestiges«, sondern begeistert sich an der Idee einer Arten-Evolution – wie auch immer diese im Einzelnen ablaufen

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