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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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nicht unbedenkliche Mischung aus Rationalität, Enthusiasmus und Naivität. Sein Glaube, dass das Unglaubliche dennoch wahr ist, wird uns später im Leben Wallace’ noch begegnen; zumal Wallace diesen Fragen auch in seiner Autobiographie seitenlange Darstellungen widmet, ebenso wie den Beschreibungen seiner eigenen Experimente zu Trance und Hypnose, die er vom Mesmerismus fasziniert in Leicester an einigen der jüngeren Schüler durchführt. Hier wollen wir es bei dem Hinweis belassen, dass Wallace und viele mit ihm in diesen Dingen so manchem Irrtum und Unfug aufgesessen sind. Dieselbe Unabhängigkeit des Denkens und Unbeugsamkeit gegenüber herrschender Meinung, die Wallace später so vehement für die Theorie von der Entstehung und der Veränderung der Arten durch natürliche Selektion einstehen lässt, lässt an ihm später auch jene Argumente abprallen, die offenkundig gegen Mesmerismus und Spiritualismus sprechen.
    In Leicester ist Wallace recht erfolgreich als Lehrer, und obgleich er selbst von seinem didaktischen Talent nie recht überzeugt sein wird, hätte er dort sein Leben lang bleiben können. Doch im Februar 1845 trifft seine Familie nochmals ein harter Schicksalsschlag. Sein Bruder William stirbt überraschend, nachdem er sich auf einer zugigen Reise in der dritten Klasse von London nach Bristol eine Lungenentzündung zugezogen hat. Alfred verlässt um Ostern Leicester – nach dem für seinen weiteren Lebensweg vielleicht entscheidensten Jahr – und geht erneut nach Wales. In Neath übernimmt er Williams zu dieser Zeit gerade florierendes Unternehmen und versucht sich noch einmal als Landvermesser, nun in eigener Verantwortung. Der Eisenbahnbau boomt dort und Wallace findet sofort Auftraggeber; erstmals lässt die Landvermessung Wallace gutes Geld verdienen. Den ganzen Sommer und Herbst über ist er im Neath-Tal unterwegs, im Herbst stellt er in London die Zeichnungen und Pläne fertig. Gemeinsam mit seinem Bruder John, den er überredet ihm nach Neath zu folgen, arbeitet Wallace auch den Sommer des folgenden Jahres als Landvermesser im südlichen Wales. Zudem versuchen sie sich gemeinsam als Architekten, als sie den Auftrag erhalten, in Neath das Gebäude für ein »Mechanics Institute« zu entwerfen und den Bau zu beaufsichtigen (es steht übrigens bis heute). Und Alfred hält dort im Winter abendliche Vorträge zu Mathematik und Astronomie, die sehr beliebt sind.
    Zweifelsohne sind die Jahre in Wales prägend und entscheidend für Wallace; einige seiner Biographen halten Neath für einen jener »turning points«, nach dem in jeder Lebensgeschichte gefahndet wird. »Wäre mein Vater ein auch nur einigermaßen reicher Mann gewesen, der mich entsprechend mit Geld ausgestattet hätte; und wäre mein Bruder Partner einer Firma irgendwo in einer größeren Stadt geworden oder hätte sich dort erfolgreich mit einer eigenen Unternehmung etabliert, ich hätte wohl kaum zur Naturkunde gefunden, um mir die Zeit auf angenehme Art zu vertreiben. Mein ganzes Leben wäre gänzlich anders verlaufen«, schreibt Wallace mit dem Blick zurück auf diese Jahre in Wales.
    Die Idee, zum Amazonas zu reisen: Im Sommer 1847 kommt Henry Walter Bates zu einem Besuch nach Neath. Hier, so erinnert sich Wallace später nur noch vage, könnte es gewesen sein, dass die beiden erstmals ihren gewagten Plan fassen – eine Reise in die Tropen. Wallace hat in den vergangenen beiden Jahren gut verdient und etwas Geld zur Seite gelegt; davon wollen er und Bates ihre Reise finanzieren. Ihr Ziel: der Amazonas.
    Viele Jahre nach seinem Besuch in Neath rekapituliert auch Bates, dass es wohl Wallace gewesen ist, der erstmals diese gemeinsame Expedition vorschlägt. Tatsächlich findet sich ein Brief vom 11. Oktober 1847 an Bates, in dem Wallace schreibt: »Ich fange an, recht unzufrieden mit einer nurmehr lokalen Sammlung zu werden. Wenig lässt sich daraus lernen. Ich sollte lieber irgendeine Familie [von Insekten] gründlich untersuchen, vornehmlich im Hinblick auf die Theorie über die Entstehung von Arten. Dadurch, so bin ich überzeugt, kommt man zu endgültigen Erkenntnissen.« Nach einem Besuch des großen Naturkundemuseums und Botanischen Gartens in Paris, wohin er für eine Woche im Herbst 1847 gemeinsam mit seiner Schwester Fanny reist, und anschließend in London steht Wallace ganz unter den dort gewonnenen Eindrücken. Auch bei einem Besuch der Insektensammlung des Britischen Museums fasziniert ihn die Fülle von Formen und

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