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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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langsamen, kontinuierlichen und graduellen Entwicklung der Arten ab. Ein mutiger und dabei doch längst überfälliger Schritt (den auch Darwin da bereits getan hat). Lyell hatte in seinem mehrbändigen Werk zu den Prinzipien der Geologie zwei Jahrzehnte zuvor erkannt, dass ähnliche Arten offenbar zeitlich aufeinanderfolgen. Wallace fasst nun zusammen, dass es nicht nur graduelle geologische Veränderungen gibt, sondern »dass während der ganzen Reihe von Entwicklungen das organische Leben der Erde eine entsprechende Veränderung durchlaufen hat. Diese Veränderung ist ebenfalls stufenweise erfolgt, aber sie ist eine vollständige gewesen, indem nach einem gewissen Zeitraume nicht eine einzige Art existierte, welche am Beginn der Periode gelebt hatte.«
    Mit dieser Idee, dass während einer vertikalen Entwicklung vorherige Arten durch nachfolgende Arten abgelöst werden, gelingt es Wallace, den Glauben an eine Konstanz der Arten zu unterwandern. Doch bleibt die Frage, auf welche Weise diese stufenweise Veränderung und das Ablösen einer Art durch eine andere, das Ersetzen neu gegen alt, in der Natur erfolgt. »Es drängt sich einem jeden denkenden Geiste die Frage auf – : aus welchem Grunde sind diese Dinge so? Sie könnten nicht so sein, wie sie sind, wenn kein Gesetz ihre Erschaffung und ihre Verbreitung reguliert hätte.« Zur Lösung gibt ihm die Geographie den Schlüssel in die Hand, als er erkennt: »Fast unabänderlich wird die nächstverwandte Art an derselben oder in der Nähe liegenden Örtlichkeit gefunden, und es ist daher die natürliche Folge der Arten durch Verwandtschaft auch eine geographische.«
    Das oftmals überraschende geographische Vorkommen konnten Naturforscher bis zu Wallace nur recht unbefriedigend erklären. Zwar brachten gewisse Verbreitungstatsachen auch Charles Darwin auf seine Erklärung, wie Arten entstehen. Doch in seiner Beschreibung der »Beagle« -Reise finden sich dazu nur vage Andeutungen. Als sein Reisebericht 1839 erstmals erscheint, ist Darwin noch weit davon entfernt, geographische Fakten für die Lösung der Frage nach dem Ursprung und der Entstehung von Arten zu nutzen. Doch es sind letztlich bei ihm wie bei Wallace nicht die von Forbes angeführten Fossilien, die ihn vom Gedanken einer Veränderung der Arten überzeugen, sondern geographische Befunde. Tatsächlich ist zu Darwins Zeiten der Fossilbeleg nur höchst lückenhaft bekannt, im Gegensatz zu einer Fülle von Befunden zum Vorkommen von Vögeln, Säugern, Schmetterlingen und anderen Tieren. Um ein Bild zu benutzen: Nicht nur alte Bücher und Schriftstücke geben über die Ereignisse zu früheren Zeiten Auskunft. Vieles aus der Geschichte lässt sich auch aus einer Landkarte mit den heutigen Grenzen von Ländern und Nationen ablesen. Ebenso wie wir wissen, dass bestimmte Menschen, Völker und Nationen nur in bestimmten Regionen der Erde vorkommen, waren bereits die ersten Naturforscher davon beeindruckt, dass einzelne Gebiete jeweils von charakteristischen Arten bewohnt werden. Diese gilt es für eine zoologische Geographie zu vermerken und zu verzeichnen, so wird Wallace später als regelrechtes Forschungsprogramm fordern – und damit die Biogeographie begründen.
    Lange bleibt allerdings rätselhaft, warum etwa Kängurus nur in Australien leben und nicht in Europa. Andererseits kennt Wallace die eigenartigen rüsseltragenden Tapire sowohl von seiner Reise in Südamerika als auch jetzt aus Südostasien. Kolibris kommen nur in Süd- und Mittelamerika vor; in der Alten Welt, Asien und Afrika dagegen leben Nektarvögel, die ebenfalls Blütenhonig saugen. Wallace erinnert sich der Tukane im tropischen Amerika; hier in Asien sieht er nun die ähnlichen Nashornvögel. Solche Verteilungsmuster beobachtet er auch bei anderen Arten, nicht nur bei Säugern und Vögeln, sondern bei Fischen, Reptilien und vor allem Insekten sowie bei Pflanzen. Am einfachsten machen es sich die Naturforscher seiner und späterer Zeit, die solche Vorkommen mit jeweils unterschiedlichen oder gleichen Lebensbedingungen zu erklären versuchen; etwa klimatischen Bedingungen oder dem Vorhandensein bestimmter Lebensräume und Nahrung. Oft haben Reisende indes festgestellt, dass sich die Bedingungen weniger unterscheiden, als man dachte; dennoch finden sie ganz andere Arten. Andererseits lassen sich viele Pflanzen anderswo ansiedeln, als sie natürlicherweise vorkommen, sofern die klimatischen Bedingungen halbwegs ähnlich sind. Ein bestimmtes

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