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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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im fernen Borneo über ein Naturgesetz der Arten schreibt – und damit letztlich über Evolution.
    Natürlich, es regnet und er kann nachdenken; so jedenfalls schreibt Wallace später selbst. »Ich war recht allein, nur Ali als Koch, und während der Abende und verregneten Tage hatte ich weiter nichts zu tun, als in meine Bücher zu schauen und über jenes Problem nachzugrübeln, das mir selten aus dem Kopf ging.« Doch dann erklärt Wallace in seiner Autobiographie, nach vielen Jahren und Jahrzehnten rückblickend, dass es angeblich die Verbreitungsmuster von Tieren waren, die ihn auf die Idee mit dem Naturgesetz der Arten brachten. Indes täuscht hier die Retrospektive selbst den großen Mann. Denn Forbes erwähnt er in seinen Erinnerungen nicht mehr. Zwar nutzt Wallace natürlich seine Kenntnisse zum geographischen Vorkommen von Tieren; er steht ja in Borneo unmittelbar unter dem Eindruck solcher ganz augenfälligen Beobachtungen. Doch sein Sarawak-Artikel ist in erster Linie die verhalten-ungehaltene Antwort auf Forbes’ Überlegungen zum Vorkommen ausgestorbener Lebensformen und wie diese sich über die langen Zeiträume der Erdgeschichte verteilen – eine zu dieser Zeit in England unter Fachleuten sehr lebhaft diskutierte Frage.
    Wallace hält Forbes’ Ideen dazu für – pardon: komplett absurd. In seinem Aufsatz selbst formuliert er das zwar netter, britisch korrekt. Forbes’ Idee »erscheint uns ganz unnötig«, und er, Wallace, »würde es auch wagen, selbst einige Gründe gegen die Natur der Forbes’schen Theorie vorzubringen«. Dieser stütze seine Überlegungen, leider, auf nur mehr isolierte Tatsachen; die aber erlaubten keine Schlussfolgerungen und schon gar nicht über eine so wesentliche Frage wie die nach der Entwicklung von Arten. Was Wallace wirklich von Forbes’ Idee hält, schreibt er in einem Brief an seinen Freund Henry Bates im Januar 1858; da hat sich Wallace offenbar immer noch nicht über die »ideal absurdity«, wie er es nun nennt, beruhigt: »Ich habe mich über den da vorgetragenen ausgemachten Unsinn sehr geärgert, zumal eine viel einfachere Hypothese sämtliche Fakten erklären kann.« Tatsächlich ist die Überlegung, die Wallace als Antwort auf Forbes entwickelt, ganz einfach; und sie bietet eine weitaus bessere Erklärung auch der eigenartigen Fossilüberlieferung, die den Forschern bis dahin Rätsel aufgibt.
    Wallace wird sich später nicht mehr daran erinnern, was der eigentliche Auslöser für seinen Sarawak-Aufsatz ist. Und einige Historiker vermuten, dass eventuell auch James Brooke nicht ganz unbeteiligt daran ist. Zum einen, weil er in dieser Zeit ein anregender Gesprächspartner für Wallace ist; zum anderen könnte es sein, dass Wallace auf Forbes’ Artikel in einer der Zeitschriftenbände in der Bibliothek von Brookes Haus aufmerksam wird. Denn dieser Bericht, so lässt sich heute ermitteln, ist mindestens in vier verschiedenen Journalen abgedruckt worden, Unsinn hin oder her; darunter in den Abhandlungen der Geologischen Gesellschaft im Oktober 1854. Wenigstens eines dieser Journale dürfte auch Stevens an Wallace geschickt haben, der es dann spätestens im Januar oder Februar 1855 in Sarawak liest. Wissenschaftshistoriker wollen so etwas natürlich genau wissen. Sie sind spitzfindig, wenn es um die Frage geht, wie Wallace im fernen Borneo überhaupt von Forbes’ Theorie erfahren hat. Und sie sind sich nicht einig. Glaubt man dem Wallace-Biographen Peter Raby, so hat Forbes in seiner Eigenschaft als Präsident der Geological Society die Theorie bei seiner Ansprache bereits am 17. Februar 1854 vorgestellt; also unmittelbar bevor Wallace England verlassen hat. Wahrscheinlicher sei aber, so Raby, dass er die gedruckte Fassung im Journal der Gesellschaft von Stevens erhalten habe, der es nach Singapur schickt (möglich, denn immerhin ist Wallace noch kurz vor seiner Abreise Mitglied der Gesellschaft geworden).
    Dagegen meint Charles Smith, Forbes habe seine Theorie am 28. April vor der Royal Institution präsentiert, einer altehrwürdigen englischen Organisation, die sich der wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung widmet. Zum einen sei Wallace da bereits unterwegs im Archipel gewesen, zum anderen hätte er ohnehin auf andere Weise von Forbes’ Theorie erfahren. Dabei spielt jenes Londoner Magazin, die »Literary Gazette«, eine Rolle, für die Wallace als eine Art Reisereporter aus Singapur und Malaka berichtet hat. Denn gerade einmal zwei Seiten nach der

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